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In sieben österreichischen Moscheen kann ab sofort nicht mehr gebetet werden. Die Frage, wie es dazu kam, ist Anlass für Konflikte.

Foto: dpa / Maurizio Gambarini

Wien – In die Aufregung rund um die von der Regierung jüngst verkündeten Moscheenschließungen und Ausweisungen von bis zu 40 Imamen mischt sich jetzt ein schwerwiegender Verdacht: Grundlage für das Handeln der Bundesregierung soll ein entsprechender Antrag auf Auflösung der Arabischen Kultusgemeinde gewesen sein – beim zuständigen Kultusamt prekärerweise vom Präsident der Islamischen Glaubensgemeinschaft (IGGÖ), Ibrahim Olgun, höchstpersönlich eingebracht.

Wie mehrere Mitglieder des Obersten Rates der Islamischen Glaubensgemeinschaft dem Standard bestätigen, soll Olgun eigenmächtig gehandelt und den überwiegenden Teil der Ratsmitglieder auch nicht informiert haben.

Opfervariante

Offiziell servierte Olgun der Öffentlichkeit hingegen die Opfervariante. Er sei "empört" über die Vorgehensweise der Bundesregierung, die Maßnahmen würden "nicht der Bekämpfung des politischen Islam, sondern nur der Schwächung der Strukturen der Glaubensgemeinschaft dienen", erläuterte der Präsident im Gespräch mit der Austria Presse Agentur am Sonntag. Pikanter Nachsatz: Man habe es nicht einmal für nötig befunden, "die IGGÖ vorab über die präsentierten Maßnahmen zu informieren."

Da das Informationsdefizit vor allem auf präsidialer Seite liegt, ging es – so ein Mitglied im STANDARD-Gespräch – in der Sitzung des Obersten Rates am Samstag "heiß her", und es seien "ordentlich die Fetzen geflogen". Für den Standard war Olgun bis Redaktionsschluss nicht erreichbar.

Mehr Einfluss für Olgun

Hintergrund für die offensichtliche Intrige könnte sein, dass sich durch eine Auflösung der Arabische Kultusgemeinde, die rund 1000 Mitglieder hat, die Machtverhältnisse innerhalb der IGGÖ entscheidend verändern würden. Die türkische Fraktion und damit Präsident Olgun würden noch deutlich stärker an Einfluss gewinnen.

Bestätigt wird der Eingang eines Antrags aus der IGGÖ auch vonseiten des Kultusamtes im Bundeskanzleramt. Im Falle der Moscheen sei man natürlich in Abstimmung mit der IGGÖ gewesen, heißt es auf Anfrage aus dem Büro des zuständigen Ministers Gernot Blümel (ÖVP). Bei den Imamen fühlt man sich nicht zuständig. Hier habe man den Verdacht der Auslandsfinanzierung an das Innenministerium weitergemeldet.

IGGÖ will Schließung rechtlich prüfen

IGGÖ-Präsident Olgun selbst will nun an das Kultusamt herantreten, und er kündigte eine rechtliche Überprüfung an, "da sich auf den ersten Blick aus rechtsstaatlichen Überlegungen heraus zahlreiche juristische Fragestellungen ergeben". Die Schließung von Glaubenseinrichtungen und Gebetsstätten sei ein "drastischer Schritt, der nicht mit Mutmaßungen und Formalitäten begründet werden kann", sagte Olgun.

Ziel der juristischen Anfechtungen könnte auch sein, gleich das gesamte Islamgesetz zu kippen. Im Jahr 2016 waren rund 60 solche Anträge islamischer Vereine vom Verfassungsgerichtshof zurückgewiesen worden – dies allerdings aus rein formalen Gründen. Jetzt könnte ein neuer Anlauf genommen werden. Wie hoch die Chancen sind, das Gesetz tatsächlich auszuhebeln? Daniel Ennöckl, stellvertretender Vorstand des Instituts für Staats- und Verwaltungsrecht an der Uni Wien, hält zumindest einen Passus im Islamgesetz für wackelig.

Konfessionell neutral

Das österreichische Staatskirchenrecht gehe vom Grundsatz aus, dass der Staat gegenüber allen gesetzlich anerkannten Religionsgemeinschaften Äquidistanz wahren und sie im Kern gleichbehandeln müsse, sagt Ennöckl im Gespräch mit dem STANDARD. Das Recht der Religionsgemeinschaften müsse also "konfessionell neutral ausgerichtet sein". Daraus leitet der Jurist ab: "Daher ist es verfassungsrechtlich problematisch, dass der islamischen Religionsgesellschaft als einziger gesetzlich anerkannter Religionsgesellschaft die Möglichkeit der Auslandsfinanzierung verboten wird."

Ob das Verbot der Auslandsfinanzierung entsprechend verfassungskonform ist, werde schlussendlich der Verfassungsgerichtshof zu klären haben. (Peter Mayr, Markus Rohrhofer, 10.6.2018)