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Hamburg/Ingolstadt – Im deutschen Verkehrsministerium hat man einen großen Wunsch: Sämtliche Manipulationen an Dieselfahrzeugen made in Germany sollen endlich aufgeklärt und dann natürlich abgestellt werden. Doch es sieht nicht so aus, als würde bei diesem Thema bald Ruhe einkehren.

Am Montag, als sich Daimler-Chef Dieter Zetsche zum zweiten Mal binnen zwei Wochen auf den Weg von Stuttgart nach Berlin machte, um Verkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) über den Stand seiner Erkenntnisse zu informieren, gab die Staatsanwaltschaft in München bekannt: Auch Audi-Chef Rupert Stadler ist nun in der Dieselaffäre ein Beschuldigter – ebenso wie ein weiteres, nicht namentlich genanntes Vorstandsmitglied.

Wohnungen durchsucht

Die Wohnungen der beiden wurden am Montag durchsucht. "Ihnen werden jeweils Betrug sowie mittelbare Falschbeurkundung zur Last gelegt. Hierbei geht es um das Inverkehrbringen von mit manipulativer Abgassteuerungssoftware ausgestatteten Diesel-Kraftfahrzeugen auf dem europäischen Markt", heißt es in der Mitteilung der Staatsanwaltschaft.

Die Zahl der Beschuldigten steigt damit bei Audi auf insgesamt 20. Anfang Februar hatten Staatsanwälte die Audi-Zentrale in Ingolstadt und Büros im Werk Neckarsulm durchsucht. Wenig später wurden die Privatwohnungen dreier weiterer Beschuldigter und in einem Fall auch der Arbeitsplatz durchforstet.

Stadler bestreitet

Und im März 2017 waren die Fahnder – ausgerechnet während der Jahrespressekonferenz – in der Zentrale einmarschiert. Sie verdächtigen die VW-Tochter Audi, in den USA und Europa ab 2009 mindestens 210.000 Dieselautos mit Schummelsoftware verkauft zu haben.

Chef Stadler hat Manipulationen stets bestritten, und er ist damit in einem Klub mit Daimler-Chef Dieter Zetsche. Der hatte immer erklärt, Daimler sei sauber. Das mag man aber im Verkehrsministerium nicht mehr glauben.

Unzulässige Abschaltung

Denn das Kraftfahrtbundesamt (KBA) hat Manipulationen beim Kleintransporter Vito festgestellt und 4900 Exemplare zurückrufen lassen. Nach Auffassung des KBA gibt es auch noch anderswo Schummeleien. Laut Bild am Sonntag wurden inzwischen fünf "unzulässige Abschaltfunktionen" bei Modellen von Daimler entdeckt. Die Behörde gehe dem Verdacht nach, dass diese Software-Funktionen in der neueren Dieselflotte mit der Abgasnorm Euro 6 zum Einsatz kommen. Fast eine Million Fahrzeuge soll betroffen seien.

Daimler hingegen erklärt, die Abschaltfunktionen seien nicht unrechtmäßig, und will dies notfalls vor Gericht klären. Doch auch das Ministerium erhöht den Druck. Laut Spiegel geht Scheuer von Manipulationen in 750.000 Fahrzeugen aus und droht mit einem Ordnungsgeld von 5000 Euro pro Wagen. Das wären insgesamt 3,75 Milliarden Euro.

Der Spiegel schreibt außerdem, dass sich Daimler freikaufen wolle. Der Konzern biete an, mehrere tausend vom KBA beanstandete Fahrzeuge zurückzurufen und die Software upzudaten. Dafür aber solle es danach keine Prüfungen mehr geben. Doch das KBA ist irritiert. Denn unter den angebotenen Fahrzeugen sind auch welche, die die Prüfer noch gar nicht unter die Lupe genommen hatten. (Birgit Baumann aus Berlin, 11.6.2018)