In seiner als "Interview" kaschierten wöchentlichen Radiosendung drückte der ungarische Ministerpräsident Viktor Orbán am Freitag unverhohlen seine Zufriedenheit mit den Vorgängen in der europäischen Politik, zum Beispiel in Österreich und Italien, aus: "Harte Burschen sind auf der europäischen Bühne erschienen. Verglichen mit den neuen Führern, die jetzt ihren Mund aufgemacht haben, sind wir junge Herren und Salonlöwen. Die Italiener wollen der Migration ein Ende setzen, und statt der Verteilung der illegalen Migranten wollen sie diese aus der Union entfernen."

Der fremdenfeindliche neue Innenminister und Lega-Führer Matteo Salvini hatte sofort nach seiner Vereidigung ein Telefongespräch mit dem ungarischen Regierungschef geführt. Steve Bannon, der frühere, rechtsextreme Spitzenberater Donald Trumps, der auf einer Europareise auch in Budapest Station gemacht hatte, lobte in einem überschwänglichen Aufsatz für die Londoner Wochenzeitung "Spectator" Orbán, Salvini und die Fraktionsvorsitzenden der rechtsradikalen AfD als "Triebkräfte der Wandlungen in Europa".

Wenn man dieser Tage in Budapest bei der traditionsreichen Buchwoche weilt, spürt man in Gesprächen mit liberalen Schriftstellern und Intellektuellen auf Schritt und Tritt die Hoffnungs- und Aussichtslosigkeit. Nach acht Jahren Fidesz-Regierung und den vom Europarat und internationalen Beobachtern 2014 und 2018 wegen der massiven Benachteiligung der Opposition kritisierten Wahltriumphen, gibt es in der absehbaren Zukunft keine Chance, die fast totale Kontrolle der Medien, der Justiz, der Staatsfinanzen und der Verwaltung durch Fidesz rückgängig zu machen. Die Opposition, gespalten, zum Teil vom Regime unterwandert und diskreditiert, bedeutet keine Gefahr und dient als scheindemokratische Legitimation für ein autoritäres System – dominiert von der absoluten Machtposition Orbáns.

Dem 55-jährigen Orbán ist es gelungen, praktisch jede innen- und außenpolitische Auseinandersetzung mit politischem Fingerspitzengefühl, mit eisernem Willen und mit einer skrupellosen Hetze zu einem schicksalhaften Kampf der ungarischen Nation gegen eine finstere Weltverschwörung zu stilisieren – gelenkt durch den 87-jährigen, aus Ungarn stammenden, jüdischen US-Milliardär und Philantropen George Soros. Entgegen den Erwartungen mancher Beobachter setzt der von konservativem Zeitgeist und der Ausbreitung der fremdenfeindlichen Stimmung von den USA bis nach Italien beflügelte starke Mann Ungarns die "Stop Soros!"-Kampagne auch gegen regimekritische Nichtregierungsorganisationen und Menschenrechtsgruppen fort.

Jene Ungarn oder Polen, die sich von Brüssel tatkräftige Hilfe gegen autoritäre Tendenzen erhofften, haben auf Sand gebaut. In einem aufsehenerregenden Artikel warnt Stefan Kornelius in der "Süddeutschen", nicht Orbán, der das Geld von der EU nimmt und sie zugleich beschimpft, werde von der Europäischen Volkspartei gemaßregelt, sondern diese würde sich möglicherweise infolge des Zeitgeistes von rechts orbánisieren

Kornelius stellt dabei die Kernfrage: Wie viel Fidesz kann die EVP ertragen, bevor sie zerbricht? (Paul Lendvai, 11.6.2018)