So sieht das Innere des Hauptspektrometertanks des Karlsruher Tritium Neutrino Experiments Katrin aus.

Foto: Michael Zacher

Karlsruhe – Das Karlsruher Institut für Technologie (KIT) hat nach eigenen Angaben die genaueste Waage der Welt entwickelt und nun erstmals auch zum Einsatz gebracht. 15 Jahre dauerte die Konstruktion des Instruments, am Montag wurde die Neutrino-Waage "Katrin" ("Karlsruhe Tritium Neutrino Experiment") gestartet. Das Gerät soll das Gewicht der leichtesten Elementarteilchen, der Neutrinos, bestimmen helfen. Für detaillierte Erkenntnisse braucht es allerdings Geduld.

Wie schwer sind Neutrinos? Diese unscheinbare Frage gehört zu den wichtigsten Problemen in der modernen Teilchenphysik und Kosmologie. Der Antwort einen großen Schritt näher bringt uns das Karlsruher Tritium Neutrino Experiment Katrin. Es wurde am Karlsruher Institut für Technologie (KIT) von einer internationalen Kollaboration in 15-jähriger Bauzeit aufgebaut und begann am 11. Juni 2018 mit einer feierlichen Eröffnung seine mehrjährige Messphase. Rund 200 Forscher von 20 Institutionen aus sieben Ländern sind an dem Projekt beteiligt.

Neutrino-Superstars

"Im Zoo der uns bekannten Elementarteilchen sind Neutrinos die vielbeachteten Superstars, die in ihrer Bedeutung für unser modernes Weltbild Quarks und Co. weit in den Schatten stellen", sagt der wissenschaftliche Co-Sprecher der internationalen Katrin-Kollaboration, Guido Drexlin vom KIT. Auch für Kosmologen spielen die beim Urknall in großer Anzahl erzeugten Neutrinos als "Geisterteilchen des Universums" eine Schlüsselrolle beim Verständnis von großräumigen Strukturen im Weltall. Wie groß diese Rolle genau ist, hängt vor allem von ihrer Masse ab, die bisher noch weitgehend unbestimmt ist.

"Erst seit knapp zwei Jahrzehnten wissen wir, dass Neutrinos – entgegen früheren Vorhersagen der Teilchenphysiker – überhaupt eine Ruhemasse besitzen", fährt Drexlin fort. Bei den geplanten 100 Milliarden Beta-Zerfallsprozessen von molekularem Tritium pro Sekunde in der Tritiumquelle von Katrin entstehen jeweils ein Elektron und ein Neutrino, die sich die Zerfallsenergie von 18.600 Elektronenvolt teilen. In extrem seltenen Fällen geht das Neutrino dabei fast leer aus, und das Elektron erhält praktisch die gesamte Energie. Durch Einsteins berühmte Formel E=mc² wissen wir, dass das beim Zerfall nicht beobachtbare Neutrino mindestens seine Ruhemasse wegtragen muss, sodass die entsprechende Energie dem Elektron fehlt.

Auf der Suche nach dem Fehlbetrag

Genau diesem winzigen Fehlbetrag von höchstens 0,2 Elektronenvolt (das entspricht der unvorstellbar geringen Masse von 3,6x10-37 Kilogramm) sind die Katrin-Forscher mit ihrer Neutrinowaage auf der Spur. Sie soll messen, welche maximale Energie die Elektronen aus dem Beta-Zerfall von Tritium erreichen. Gegenüber früheren Neutrinomassen-Experimenten verfügt Katrin über eine um einen Faktor 100 intensivere Quelle und stark verbesserte spektroskopische Eigenschaften.

"Katrin ist ein Wunder der Technik", schwärmt Ernst Otten von der Universität Mainz, der frühere Messungen an einem Vorläuferexperiment in Mainz geleitet hat und der einer der Gründerväter von Katrin ist. Nach etwa fünf Jahren Messbetrieb erwarten die Forscher die genauesten Ergebnisse. Welche Rückschlüsse möglich sein werden, darüber lasse sich nur spekulieren. "Als die Kernspaltung entdeckt wurde, war auch noch völlig unklar, was daraus entstehen würde", sagt KIT-Forscher Florian Heizmann. (red, 12.6.20148)