Kiel – Untersuchungen auf lokaler, regionaler und globaler Ebene haben in den vergangenen Jahren einen bedenklichen Trend festgestellt: Der Sauerstoffgehalt der Ozeane nimmt stetig ab. Modellrechnungen untermauern die Beobachtungen, doch diese Kalkulationen sind nicht immer verlässlich, was Prognosen für die Zukunft schwierig macht. In einer aktuellen Studie zeigen Forscher nun die Lücken der Modelle auf und identifizieren weitere, bisher unterschätzte Ursachen des Sauerstoffverlustes.

Eine von Kieler Ozeanographen Anfang 2017 veröffentlichte umfangreiche Datenanalyse hat gezeigt, dass die Meere in den vergangenen 50 Jahren weltweit zwei Prozent ihres Sauerstoffgehalts eingebüßt haben. Auch Computermodelle der Ozeane und des Erdsystems zeigen diesen Trend und prognostizieren eine Beschleunigung in der Zukunft. Dabei gibt es aber ein Problem. "Die uns zur Verfügung stehenden Modelle schaffen es nicht, die bisherige Entwicklung exakt nachzuvollziehen. Sie zeigen deutlich weniger Sauerstoffverlust als die tatsächlich gemessenen Werte", sagt Andreas Oschlies vom GEOMAR Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel, Hauptautor der im Fachjournal "Nature Geoscience" veröffentlichten Studie.

Unzulängliche Modelle

"Der Vergleich mit unseren Beobachtungsdaten zeigt verschiedene Unzulänglichkeiten der Modelle und gibt uns Hinweise, in welche Richtungen wir unsere Forschungsanstrengungen konzentrieren müssen", sagt Koautor Peter Brandt. Gesichert ist, dass die globale Erwärmung Hauptursache für die Sauerstoffabnahme ist. Doch sie wirkt sich auf mehreren Wegen auf die Ozeane aus. So beeinflusst sie unter anderem die Löslichkeit von Sauerstoff im Wasser. Je wärmer das Wasser, desto weniger Gase kann es aufnehmen. Dieser Prozess betrifft vor allem die obersten Wasserschichten, die in direkterem Kontakt zur Atmosphäre stehen. Der Effekt könne bis zu 20 Prozent der bisherigen Sauerstoffabnahme erklären und sei in den Modellen auch schon gut nachvollziehbar, führen die Forscher weiter aus.

Die Erwärmung verändert aber auch Muster der globalen Ozeanzirkulation. Da das komplexe System von Oberflächen- und Tiefenströmungen die tieferen Bereiche der Meere mit Sauerstoff versorgt, könnten diese Veränderungen den Sauerstoffgehalt im gesamten Ozean beeinflussen. "Hier haben viele Modelle Probleme, weil Transportprozesse oft nicht gut genug aufgelöst oder fehlerhaft wiedergegeben werden", sagt Koautor Lothar Stramma.

Komplexe Wechselwirkungen

Auch die äußerst komplexen Wechselwirkungen zwischen biologischen, chemischen und physikalischen Prozessen im Ozean sind bisher nur unzureichend in den Modellen repräsentiert. "Uns fehlen in diesem Bereich oft einfach die Daten oder das Wissen über die vielen Faktoren, die bei der Reaktion des Ozeans auf die globale Erwärmung ineinander greifen", betont Oschlies, der auf die Modellierung biogeochemischer Prozesse spezialisiert ist. "Unsere Studie zeigt, dass bisherige Modelle die Auswirkungen dieses Zusammenspiels zumindest auf die Sauerstoffverteilung deutlich unterschätzen."

Um diese aufgezeigten Lücken zu schließen, plädieren die Autoren für eine intensivere und international koordinierte Ozeanbeobachtung. Eine Verbesserung der Modelle in Bezug auf das Sauerstoff-Budget der Ozeane hätte nebenbei noch einen weiteren Vorteil: "Sauerstoff eignet sich hervorragend zur Eichung von Modellen, die die Aufnahme von Kohlendioxid im Ozean berechnen. Wir würden also gleichzeitig unser Wissen über den Kohlenstoffkreislauf verbessern", so Oschlies. (red, 12.6.2018)