München – Bei der Vergabe der Kurd-Laßwitz-Preise für die besten Science-Fiction-Werke des Jahres hatten die großen Verlagshäuser in der Königsdisziplin "Bester Roman" allesamt das Nachsehen. Die Auszeichnung ging heuer an den Kleinverlag Amrûn im oberbayrischen Traunstein – oder genauer gesagt an dessen Autor Michael Marrak für seine ungewöhnliche Zukunftssaga "Der Kanon mechanischer Seelen". Marrak schlug damit unter anderem Bestsellerautor Andreas Brandhorst, der sich den Preis zuletzt zweimal in Folge sichern konnte und heuer mit dem Künstliche-Intelligenz-Thriller "Das Erwachen" erneut zur Wahl gestanden war.

Foto: Amrun Verlag

Beim KLP entscheidet eine Online-Abstimmung unter Personen, die im deutschsprachigen Raum beruflich im Bereich Science Fiction tätig sind: Autoren, Journalisten, Verleger und andere. 72 sind heuer dem Aufruf gefolgt, was ziemlich im Schnitt der vergangenen Jahre liegt. Nur in den Kategorien "Beste Übersetzung" und "Bestes Hörspiel" wird von einer Fachjury abgestimmt.

Der Sieger

Michael Marrak mag im Gegensatz zum Großteil der Konkurrenz (diesmal) in einem Kleinverlag publiziert haben – was den Kurd-Laßwitz-Preis betrifft, ist er freilich ein ebenso großer Name wie Brandhorst. Der aus Baden-Württemberg stammende heute 52-Jährige hat den KLP bereits mehrfach gewonnen, sowohl als Autor als auch als Illustrator.

Sein nun preisgekröntes Werk führt in eine ferne Zukunft, in der Technologie und Magie respektive Science Fiction und Fantasy kaum mehr unterscheidbar sind. Ninive beispielsweise, die Hauptfigur von "Der Kanon mechanischer Seelen", ist eine sogenannte Wandlerin: Sie vertreibt sich die Zeit damit, Alltagsgegenstände zu "beseelen", und gefällt sich als Dirigentin eines Haushalts voller denkender Dinge. Aus dieser Selbstzufriedenheit wird Ninive allerdings gerissen, als eine Reihe von Besuchern in ihrer Wohnstätte eintrudeln.

Es steht eine Expedition in die unbekannten Länder jenseits der kilometerhohen Mauer an, die die bekannte Zivilisation vom Rest der Welt trennt. Es wird sich die wohl die bunteste "Fellowship" der vergangenen Jahre auf den Weg machen – denn einmal mehr steht das Schicksal der Welt auf dem Spiel. Marrak überzeugt in "Kanon" mit höchst originellem Worldbuilding und einer angesichts des Endzeit-Szenarios überraschenden Portion Humor – eine ausführliche Rezension des Gewinnerromans folgt in der nächsten Rundschau.

Weitere Kategorien

Der Preis für die beste SF-Erzählung ging an Uwe Hermanns "Das Internet der Dinge", erschienen in der Juni-Ausgabe 2017 von "Spektrum der Wissenschaft" – der STANDARD ist eben nicht das einzige Medium, in dem die Science Fiction ihren Platz in der Wissenschaft findet. Den Preis für die beste Übersetzung holte sich Claudia Kern, die Connie Willis' Zeitreise-Duologie "Dunkelheit" / "Licht" ins Deutsche übertragen hatte. Das ist immerhin ein Trost dafür, dass Kern mit ihrem eigenen Roman "Divided States of America" – ein Weiterdenken der gesellschaftlichen Polarisierung unter Trump – von Marrak geschlagen worden war.

Weder Nnedi Okorafors erzählerische Schwächen noch der Umstand, dass ihre Superwesen-Saga eher in der Fantasy als in der SF zuhause ist, konnte verhindern, dass "Das Buch des Phönix" zum besten ausländischen Werk gekürt wurde. Knapp dahinter landeten Willis' Duologie und Maja Lundes "Die Geschichte der Bienen". Schon mit deutlichem Abstand folgten darauf Jeff VanderMeers "Borne" und Ian McDonalds "Luna: Wolfsmond".

Foto: Atlantis

Als beste Illustration wurde Lothar Bauers Titelbild für "Luna Incognita" (siehe oben) ausgezeichnet; nur knapp verpasste hier Marrak, der auch das Titelbild für seinen Roman gestaltet hatte, das Double. Einen Sonderpreis für herausragende Leistungen gab es für Thomas Le Blanc für Aufbau und Erhalt der Phantastischen Bibliothek Wetzlar. Überreicht werden die nicht dotierten Preise am ElsterCon, einem SF-Symposium, das von 21. bis 23. September in Leipzig stattfinden wird. (Josefson, 12. 6. 2018)