Duzfreunde mit ähnlichen gewerkschaftlichen Erfahrungen: ÖGB-Präsident Foglar und Bundespräsident Van der Bellen

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Wien – Bundeskongresse des ÖGB bieten dem jeweiligen Bundespräsidenten stets eine Plattform dafür, eine politische Botschaft anzubringen, die weit über den Kreis der Gewerkschafter hinaus wahrgenommen wird – und Alexander Van der Bellen nutzte diese Plattform am Dienstagabend für einen eindringlichen Appell zur Aufrechterhaltung guter sozialpartnerschaftlicher Beziehungen: "Ich kann mich noch erinnern, wie das vor der Sozialpartnerschaft war, an Zeiten, die von bitterer Armut geprägt waren. Es wäre besser, den bewährten Weg der Sozialpartnerschaft weiterzugehen."

Natürlich war dieser Appell auch an jene Gewerkschafter gerichtet, die sich in der aktuellen Auseinandersetzung um die Absicherung gewerkschaftlicher Mitsprache zu Kampfmaßnahmen rüsten. Aber die im Austria Center versammelten Delegierten verstanden es durchaus auch dahingehend, dass der Bundespräsident ihr Gegenüber in Regierung und Wirtschaftskammer zu sozialpartnerschaftlichem Verhalten aufgerufen hat. Großer Applaus war dem Bundespräsidenten daher sicher.

Nicht alle Regierungen gleich klug

Vor Van der Bellen hatte der scheidende Gewerkschaftspräsident Erich Foglar gesprochen – ein Interessenvertreter alter Schule, der die alten Zeiten zu beschwören versteht und den Regierenden mit Höflichkeit begegnet. Alle Regierungen der Zweiten Republik, sagte er und wiederholte das "alle" noch einmal nachdrücklich, hätten den konstruktiven Dialog mit den Gewerkschaften gesucht, das zeichne kluge Regierungen aus.

Van der Bellen griff das dann mit verschmitztem Lächeln auf: "Alle Bundesregierungen?", fragte er in den Saal, um unter dem Gelächter der Delegierten hinzuzufügen: "Sagen wir: mit gewissen Abstufungen."

"Nicht unbedingt beliebt"

Da herrschte fast eine Stimmung, als wäre der Bundespräsident Gast bei einer privaten Feier unter Freunden – seinen Duzfreund Foglar lud er ein, auch als künftiger Pensionist ab und zu einmal eine Minute in die Hofburg zu kommen. Und gerade in dieser Stimmung war die eigene Standortbestimmung des Staatsoberhaupts besonders klar. Er, der selbst einmal an der Uni Innsbruck Assistentenvertreter gewesen war, konnte die gemeinsame Erfahrung teilen, "dass man sich nicht unbedingt beliebt macht als Gewerkschafter". Noch einmal Applaus.

Und dann die quasi amtliche Positionierung gegen die Reformpläne der Regierung: "Bleiben Sie stark und selbstbewusst, setzen Sie sich weiterhin dafür ein, dass alle vom Wohlstand profitieren und niemand auf der Strecke bleibt, für den Erhalt des Sozial- und des Sozialversicherungssystems. Und sorgen Sie weiterhin dafür, dass Rassismus und rechtsextremistische Tendenzen keinen Platz in Österreich haben."

ÖGB will Jugendvertrauensräte erhalten

Auch das war eine Anspielung auf die vorherige Rede Foglars, der darauf hingewiesen hatte, dass der Wunsch nach einem "starken Mann" in Österreich stark steige – und das besonders unter Lehrlingen. Gerade deshalb wäre es ein Fehler, diesen ihre eigene demokratische Vertretung, die Jugendvertrauensräte, wegzunehmen, wie es die derzeitige Regierung vorhat. Foglar: "Bitte nehmen Sie Abstand von der Abschaffung der Jugendvertrauensräte, das tut dem Land nicht gut."

Einmal in Fahrt, kritisierte der ÖGB-Chef die Regierung scharf: "Es gab noch nie in der Zweiten Republik eine Regierung, die so klar eine Regierung der Industriebosse und ihrer Wünsche war." Im Regierungslager – Foglar vermied es, Namen zu nennen – gebe es Leute, "die glauben, die Gewerkschaften wären Befehlsempfänger. Das werden wir in 1000 Jahren nicht sein." Die Gewerkschaft werde auch "alles tun, um sie von diesem Irrweg abzubringen" – womit Foglar die Drohungen sozialdemokratischer Gewerkschafter, die schon an Kampfmaßnahmen denken, schließlich doch aufgegriffen hat. (Conrad Seidl, 13.6.2018)