Wien – Eine große Bandbreite der heimischen Forschungstätigkeit deckt der Wittgenstein-Preis ab, der heuer zum ersten Mal seit 2012 wieder an zwei Laureaten vergeben wurde: Der vom Wissenschaftsfonds FWF ausgeschriebene und mit 1,4 Millionen Euro höchstdotierte Wissenschaftspreis Österreichs geht 2018 an den Mathematiker und Informatiker Herbert Edelsbrunner und die Musikwissenschafterin Ursula Hemetek. Unterschiedlicher könnten die Fachgebiete kaum sein.

Die Preisträger

Der gebürtige Grazer Herbert Edelsbrunner (60) ist seit 2009 Professor am Institute of Science and Technology Austria (IST Austria) und damit bereits der dritte Wittgenstein-Preisträger des Instituts nach dem Informatiker und Instituts-Chef Thomas Henzinger (2012) und dem Neurowissenschafter Peter Jonas (2016). Zuvor hatte Edelsbrunner unter anderem Professuren an der University of Illinois at Urbana-Champaign und an der Duke University in den USA inne.

Foto: Ist Austria

Edelsbrunner gilt als einer der wichtigsten Forscher auf dem Gebiet der computerunterstützten Geometrie und Topologie. In seiner Gruppe beschäftigt man sich mit Anwendungen dieser Teilgebiete der Mathematik, mit wissenschaftlicher Visualisierung, struktureller Molekularbiologie, Systembiologie, aber auch mit Verbesserungen im Bereich der medizinischen Bildverfahren und der Kieferorthopädie.

Die 1956 geborene Ursula Hemetek studierte vergleichende Musikwissenschaft an der Universität Wien und begann 1987 an der Hochschule für Musik und darstellende Kunst zu arbeiten. Seit 2011 ist sie die Leiterin des dortigen Instituts für Volksmusikforschung und Ethnomusikologie. Ihre bisherigen Forschungsschwerpunkte waren stark auf Österreich fokussiert, zugleich arbeitete sie an einer über die Grenzen hinausreichenden Ausrichtung ihres Gebiets: Nach der Etablierung einer internationalen Studiengruppe will sie auch ein internationales Forschungszentrum für ethnomusikologische Minderheitenforschung einrichten.

Foto: Hochschule für Musik und darstellende Kunst

Als Ethnomusikologin ist Hemetek die erste Wittgenstein-Preisträgerin ihres Fachs. Sie forscht über die Musik und deren soziologischen Kontext bei ethnischen Minderheiten in Österreich – vor allem Roma, burgenländische Kroaten und Bosnier. Ihr Engagement geht auch über Forschung und Lehre hinaus, unter anderem war sie Obfrau der "Initiative Minderheiten".

In der Geschichte des Wittgenstein-Preises hat es mehrere Doppelvergaben gegeben – das heurige Jahr gehört aber zu den seltenen Fällen, in denen gleichzeitig Vertreter von Natur- sowie Geistes-, Sozial- und Kulturwissenschaften ausgezeichnet wurden. Zum ersten Mal war dies 1996, bei der ersten Vergabe des Preises, geschehen, als die Sprachwissenschafterin Ruth Wodak und der Genetiker Erwin Wagner ausgezeichnet wurden. 2000 wurden der Mathematiker Peter Markowich und der Ethnologe und Anthropologe Andre Gingrich gekürt.

Der "Austro-Nobelpreis"

Seit Jahren schon wird der Wittgenstein-Preis ob seiner Bedeutung für die heimische Szene gerne mit Prädikaten wie "Austro-Nobelpreis" bedacht. Immerhin: Das Preisgeld ist deutlich höher als das des schwedischen Vorbilds, das seit 2017 pro Kategorie mit umgerechnet 878.000 Euro dotiert ist. Laut den Statuten des Wittgenstein-Preises ist das Preisgeld für weitere Forschungsarbeiten zu nutzen.

In Frage kommen für den Wittgenstein-Preis ausschließlich Wissenschafter, die von Vorschlagsberechtigten genannt wurden. Das sind unter anderem die Universitäten und ehemalige Preisträger. Die Forschungstätigkeit der Kandidaten muss in Österreich stattfinden, ihre Nationalität spielt hingegen keine Rolle.

Start-Preise

Gleichzeitig mit dem Wittgenstein-Preis wurden auch heuer wieder die mit jeweils bis zu 1,2 Millionen Euro dotierten Start-Preise vergeben – unter den sechs jungen Forscherinnen und Forschern sind immerhin drei von der TU Wien: die theoretische Physikerin Emanuela Bianchi, Josef Norbert Füssl vom Institut für Mechanik der Werkstoffe und Strukturen und Philipp Haslinger vom Atominstitut. Dazu kommen Oliver Hofmann vom Institut für Festkörperphysik der Technischen Universität Graz, der Biowissenschafter Robert R. Junker von der Uni Salzburg und die Geologin Gina Elaine Moseley von der Uni Innsbruck. (jdo, pi, 13.6.2018)