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Julen Lopetegui kann sich nun bereits voll und ganz auf Real Madrid konzentrieren.

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Verbandschef Luis Rubiales zauberte mit Fernando Hierro flott einen Nachfolger aus dem Hut.

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Hierro war bei der Auslosung für das WM-Quali-Play-off im Oktober des Vorjahres als Glücksfee im Einsatz.

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Krasnodar – Einer der Favoriten bei der Fußball-WM in Russland stand zwei Tage vor seinem ersten Spiel plötzlich ohne Teamchef da. Spaniens Verband (RFEF) trennte sich am Mittwoch von Coach Julen Lopetegui, nachdem tags zuvor bekanntgeworden war, dass der 51-Jährige nach der Endrunde zu Real Madrid wechselt.

Wenig später wurde dann Verbandssportdirektor Fernando Hierro als neuer Trainer des Mitfavoriten auf den WM-Titel präsentiert. Die erste Partie der Spanier steigt am Freitag (20 Uhr MESZ) in Sotschi gegen Europameister Portugal. Es ist "ein Erdbeben", kommentierten die Sportzeitungen in Spanien praktisch gleichlautend den in der WM-Geschichte wohl einmaligen Vorgang.

Lopetegui hatte seinen Vertrag als Teamchef erst vor wenigen Wochen bis 2020 verlängert. Dann aber folgte der Rücktritt von Zinédine Zidane als Real-Betreuer, und der Champions-League-Sieger startete hinter dem Rücken des Nationalverbands Verhandlungen mit dem Ex-Goalie, der schließlich von einer Ausstiegsklausel Gebrauch machte. Lopetegui zeigte sich in einer ersten Stellungnahme nach seiner Entlassung betroffen: "Ich bin sehr traurig."

Atmosphärische Störungen

Verbandschef Luis Rubiales wurde von Lopetegui erst fünf Minuten vor der offiziellen Veröffentlichung durch Real telefonisch über den bevorstehenden Jobwechsel informiert und reagierte darauf dementsprechend sauer. "Wir möchten Julen für alles danken, was er getan hat. Er hat viel dazu beigetragen, dass wir in Russland sind, aber wir fühlen uns verpflichtet, auf seine Dienste zu verzichten. Es muss eine Botschaft an alle RFEF-Mitarbeiter geben, und es gibt Verhaltensweisen, an die man sich halten muss", erklärte Rubiales. "Wir stecken in einer komplizierten Situation, die komplizierteste, die man sich vorstellen kann." Es sei nicht die beste Lösung aber man dürfe ihm nicht in den Rücken fallen, so der RFEF-Chef weiter. "Nach allem, was passiert ist, konnten wir nicht anders handeln."

Vorwürfe gegen Real Madrid

Auslöser des Erdbebens: Real Madrid. Die Königlichen hatten am Dienstag bar jeglichen Feingefühls und ohne Rücksicht auf Verluste die Verpflichtung von Lopetegui als Nachfolger von Zidane hinausposaunt. Ein Unding, sagt der Verband.

Die Spieler hätten die Entscheidung der sofortigen Trennung "akzeptiert", sagte Rubiales. "Es ist ein harter Schlag, aber wir stehen zusammen, um nach vorne zu schauen." Der Präsident erhob wegen der Vorgangsweise schwere Vorwürfe gegen Real. "Wir hatten überhaupt keine Information darüber. Julen hätte es lieber gehabt, wenn die Dinge anders gehandhabt worden wären."

Im Gegensatz zum Präsidenten wusste Sergio Ramos wohl über die Vorgänge Bescheid: Der Kapitän von Real und der Nationalmannschaft soll seinen Segen zu der Verpflichtung von Lopetegui gegeben haben, allerdings konnte er seinen neuen Klubtrainer nicht vor dem Rauswurf bei der Roten Furie retten.

Der Präsident und sein neuer Teamchef.

Xavi: Verband steht über Personen

Für Barça-Legende Xavi hatte der RFEF keine andere Wahl, "denn der Verband steht am Ende über einzelnen Personen", sagte der Welt- und Europameister. Darüber hinaus wollte Xavi Real nicht kritisieren. Hierro hält er für geeignet, Spanien in Richtung Titel zu führen, "er ist gut vorbereitet. Wir kennen ihn alle, 2010 hat er uns schon sehr geholfen."

Der 50 Jahre alte Andalusier war seit 2007 Sportdirektor der Nationalmannschaft, für die er 89 Länderspiele bestritt. Er nahm an vier WM-Endrunden teil. In der Saison 2016/17 trainierte er den Zweitligisten Real Oviedo.

Just 2010 in Südafrika hatte sich ein Titelfavorit wegen Querelen um den Trainer früh aus dem Spiel genommen. Damals probten die Spieler Frankreichs den Aufstand gegen ihren Coach Raymond Domenech. Dessen Autoritätsverlust lag auch darin begründet, dass der Verbandspräsident mit Laurent Blanc schon einen Nachfolger parat hatte. Allerdings durfte Domenech die WM zu Ende coachen – für Frankreich dauerte sie nur drei Vorrundenspiele.

Zusammenhalt des Teams in Gefahr

Die Auswirkungen auf die spanische Mannschaft könnten gleich in mehrfacher Hinsicht negativ sein. Vor allem die Gräben zwischen den Spielern von Real und des FC Barcelona könnten wieder aufbrechen. Zum ersten Mal seit der WM 2006 stehen mehr Spieler der Königlichen im Kader (6) als aus Barcelona (3). Bereits die Nachricht von Lopeteguis Wechsel sei bei der Mannschaft "nicht gut angekommen – außer bei den Spielern von Real", schrieb die Zeitung Sport.

Lopetegui hatte den Weltmeister von 2010 in den vergangenen knapp zwei Jahren sehr erfolgreich geführt und die WM-Qualifikation in einer Gruppe mit Italien problemlos geschafft. Von 20 Partien gewann Spanien unter dem 51-Jährigen 14 und spielte sechsmal unentschieden. (APA, sid, red, 13.6.2018)