Ein Prachtexemplar aus der Seegurkengattung Stichopus.
Foto: Jon Altamirano

Bremen – Als "Staubsauger der Meere" bezeichnet das Leibniz-Zentrum für Marine Tropenforschung Seegurken (Holothuroidea), die langgestreckten Verwandten von Seesternen und Seeigeln. Denn die trägen Meeresgrundbewohner spielen eine eminent wichtige ökologische Rolle, wie jüngste Studien bestätigen.

Die etwa 14.000 bekannten Arten von Seegurken weisen eine enorme Bandbreite auf, die von millimeterkleinen Winzlingen bis zu zweieinhalb Meter langen Riesen reicht – manche davon mit dem Körperbau eines dünnen Seils, andere muskulös und walzenförmig. Sie kommen in allen Weltmeeren, von den Polen bis in die Tropen, vor.

Gemeinsam ist ihnen, dass sie allesamt am Meeresboden leben. Zumeist durchwühlen sie den sandigen Boden nach Nahrung wie Detritus oder Mikroalgen, verschlingen das Sediment, verdauen die organischen Bestandteile und scheiden den Sand dann wieder aus. Rechnet man Schätzungen ein, denen zufolge Seegurken etwa 90 Prozent der bodennahen Biomasse in der Tiefsee ausmachen, wird klar, in welchem Ausmaß sie ihren Lebensraum mitgestalten.

Versuchsanlage am Meeresboden

Um auf konkretere Zahlen zu kommen, bauten Forscher des Leibniz-Zentrums vor der Insel Vanua Levu im Fidschi-Archipel 16 bodenlose Käfige hinter einem Korallenriff auf. Diese wurden unterschiedlich dicht mit Seegurken der Art Holothuria scabra besetzt und zurückgelassen. Ein halbes Jahr lang nahmen die Forscher anschließend regelmäßig Sedimentproben aus den umgrenzten Bereichen und maßen den Gehalt an Sauerstoff im Wasser. Dieser dient als Indikator für die Menge an verzehrter organischer Masse.

In Gehegen mit einer hohen Anzahl an Seegurken registrierten die Forscher in der Folge einen deutlich geringeren Sauerstoffverbrauch im Sediment. Dort befand sich also weniger organisches Material, dafür hatten die lebenden Staubsauger gesorgt. Organismen, die im Meeresboden leben, kommt dies zugute.

Satte Leistung

"Unsere Zahlen ergeben, dass Holothurien in einem Jahr auf einem Areal von 1.000 Quadratmetern an die 10.600 Kilo Sediment durcharbeiten", sagt der Riffökologe Sebastian Ferse. "Das sind erstaunlich große Mengen, und es ist doppelt so viel wie bisher angenommen. Ähnlich den Wattwürmern der Nordsee sind Seegurken hocheffiziente Biofilter."

Die "Staubsauger der Meere" sind damit von unschätzbarem Wert für die Meeresökosysteme. Denn an den Küsten gelangen immer mehr Abwässer aus Städten, Hotels, Landwirtschaft und Aquakulturanlagen ins Meer und überdüngen es. Die Seegurken verhindern, dass sich zu viel zerfallende organische Substanz im Meeressand absetzt. Diese wäre ein Nährboden für pathogene Bakterien und würde das Wachstum von Algen begünstigen. Nehmen die Algen überhand, können sie kostbare Lebensräume wie Seegraswiesen oder Korallenriffe überwuchern.

Seegurken, die vor der Küste Mexikos gefangen wurden, sind für den Export nach Asien bestimmt.
Foto: APA/AFP/HUGO BORGES

Allerdings sabotiert der Mensch seine tierischen Reinigungskräfte: Pro Jahr werden laut den Forschern Seegurken in einem Ausmaß von 30.000 Tonnen aus dem Meer geholt. Abnehmer ist vorwiegend der asiatische Markt, wo Seegurken als Delikatesse gelten und ihnen überdies einmal mehr medizinische Heilkraft nachgesagt wird.

Da in Südost-Asien viele küstennahe Meeresregionen bereits leergefischt sind, hat der lukrative Seegurkenfang und -export inzwischen auch andere Regionen erfasst, etwa in der Karibik. Negative Folgen hat das nicht nur für die betroffenen Seegurkenspezies selbst, sondern auch für ihren Lebensraum. (red, 17. 6. 2018)