Die dreijährige Elena möchte sich die Schuhe allein anziehen, aber es will nicht so recht klappen, und von ihrer Mama will sie sich auch nicht helfen lassen. Dabei wird die Kleine immer ärgerlicher, schließlich weint und schreit sie. Nichts kann sie beruhigen. In ihrer Wut schlägt sie mehrmals ihren Kopf auf den Boden.

Regina ist mit ihrem elfjährigen Sohn unterwegs nach Hause. Er hat sich heute mit einem anderen Kind gestritten und dieses dabei geschlagen. In der Straßenbahn spricht sie ihn darauf an, macht ihm Vorwürfe und droht ihm mit Computer- und Handyverbot. Bastian lässt das Gerede seiner Mutter augenscheinlich ziemlich kalt und schaut genervt. Das macht Regina nur noch wütender, andere Fahrgäste starren sie schon an. Sie hat keine Idee, wie sie mit dem Verhalten von Bastian und ihrer Wut umgehen soll.

Die sechzehnjährige Jennifer hat ständig Auseinandersetzungen mit ihren Eltern. Sie hat den Eindruck, dass diese an ihrem Aussehen und Benehmen stets etwas auszusetzen haben. Ihnen passt nicht, was sie sagt, wie sie sich kleidet und verhält. Deshalb verbringt Jennifer zu Hause die meiste Zeit in ihrem eigenen Zimmer.

Die Wut der kleinen Kinder

Jeder Mensch kennt Wut und Ärger. Da gibt es Kleinigkeiten, die einen ärgern, und natürlich ganz große Dinge, die Ärger und Wut erzeugen. Beide Gefühle sind grundsätzlich nichts Destruktives, sondern – im Gegenteil – eher Antriebskraft. Unangenehme Gefühle entstehen dann, wenn Menschen sich in ihrer Wut nicht verstanden fühlen. So kann der Umgang miteinander durch Reaktionen des Umfelds belastet werden.

Kleine Kinder erleben oft, dass sie etwas noch nicht können, nicht schaffen oder etwas tun sollen, das sie nicht wollen. Oftmals rufen solche Situationen im Kind Ärger und Wut hervor, bei den Erwachsenen ebenso. Je kleiner Kinder sind, desto eher reagieren sie unmittelbar. Sie bringen ihren Ärger und ihre Wut unterschiedlich zum Ausdruck. Sie weinen, schreien, toben, werfen sich schon mal auf den Boden oder schlagen die Person, die den Ärger verursacht hat. Dann sind Eltern und Bezugsperson gefordert, mit dem Kind und seiner Wut zurechtzukommen.

Wie können und sollen Kinder und Eltern ihre Wut ausdrücken?
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Die Wut der mittleren Kinder

Größere Kinder haben aufgrund ihrer Erfahrungen mit dem Umfeld oftmals schon gelernt, ihrer Wut anders Ausdruck zu verleihen. Sie wissen, dass Wut und Ärger manchmal Konsequenzen nach sich ziehen. Und diese ignorieren sie, weil ihnen in Wutsituationen keine andere Handlungsmöglichkeit einfällt. In der Pubertät angekommen, werden Jugendliche oft sehr schnell wütend, weil sie das Gefühl haben, dass sie noch nicht als Erwachsene anerkannt werden, obwohl sie sich selbst schon so sehen.

Kinder sollten die Möglichkeit haben, ihre Wut beziehungsweise sich in ihrer Wut zu spüren. Es ist also wichtig, dass Eltern und Bezugspersonen akzeptieren, dass ein Kind wütend oder zornig ist und das auch zeigen darf. Das heißt für die Erwachsenen aber auch, dass ihnen klar sein muss, dass es völlig logisch ist, dass der Nachwuchs auch mal wütend ist, dass es aber auch dabei klar definierte Grenzen gibt, die eingehalten werden müssen.

Wie Eltern und Bezugspersonen auf den Unmut des Kindes reagieren, ob sie dabeibleiben oder aus dem Zimmer gehen, kommt auf die Situation, das Alter des Kindes und die Art und Intensität der Wut an. Wenn die Situation sich wieder beruhigt hat, ist es wichtig, dass Eltern und Bezugspersonen sich dem Kind mit Interesse zuwenden und – wenn es möglich ist – das Gespräch suchen.

Die Wut der großen Kinder

Auch Erwachsenen geht es ähnlich wie ihren Kindern. Sie ärgern sich immer wieder über die Partnerin oder den Partner, die eigenen Eltern, über Kollegen und Chefs, ihre Kinder und vieles andere. Es kommt vor, dass eine Mutter, ein Vater das Gefühl hat, dass das Kind und der Jugendliche mit Absicht so reagiert und den Eltern etwas zufleiß macht. Das erzeugt natürlich noch mehr Ärger und Wut.

Eltern und Bezugspersonen dürfen genauso wütend und verärgert sein wie der Nachwuchs. Der Unterschied sollte darin bestehen, dass Erwachsene ihren Ärger differenzierter sehen und dadurch damit anders umgehen können.

Wohin aber als Erwachsener mit der Wut? Sie auszuleben ist nicht in jeder Situation unbedingt möglich, denn Eltern und Bezugspersonen möchten Vorbilder für ihre Kinder sein. Es erfordert viel Reflexion von den Erwachsenen, herauszufinden, was sie ärgert, unter welchen Umständen sie wütend werden und was sie tun können, damit sie nicht unangemessen reagieren.

Egal wie alt der Mensch ist, Ärger und Wut kommen manchmal schleichend oder plötzlich, sie kochen hoch wie ein Vulkan, der zu explodieren droht. Es geht nicht darum, Ärger und Wut gänzlich zu unterdrücken, sondern darum, ihnen angemessen und adäquat Ausdruck zu verleihen, damit der Vulkan nicht unkontrolliert ausbricht, sondern gezielt und kontrolliert Dampf ablassen kann.

Ihre Erfahrungen?

Wie gehen Sie mit der Wut Ihrer Kinder um? Wie gehen Sie mit Ihrer eigenen Wut um? In welchen Situationen, denken Sie, können sich Ihre Kinder den Umgang mit Ärger und Wut von Ihnen abschauen? Posten Sie Ihre Erfahrungen, Fragen und Ideen im Forum! (Andrea Leidlmayr, Christine Strableg, 15.6.2018)