Vizekanzler und FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache muss sich auf seiner Facebook-Seite derzeit heftige Kritik gefallen lassen.

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Wien – Vor ein paar Tagen ist die Stimmung gekippt. Heinz-Christian Strache war und ist der wahrscheinlich erfolgreichste österreichische Politiker in den sozialen Netzwerken, rund 775.000 Likes zählt seine Facebook-Seite, er bekommt dort viel Zuspruch. Doch die Ausweitung der Arbeitszeitflexibilisierung, die will sich bei vielen Anhängern des FPÖ-Chefs nicht so recht verkaufen lassen. "VERRÄTER, der Wähler wird es strafen! FPÖ fünf Prozent", schreibt einer in den Kommentaren zu einem Strache-Posting zur arbeitspolitischen Causa prima.

Strache teilte auf Facebook eine Presseaussendung der Wirtschaftskammer.

"Glaub mir, spätestens wenn die Leute zwölf Stunden hackeln, wird der Wählerbetrug sichtbar", echauffiert sich ein anderer. Dazwischen mischen sich nur wenige Stimmen, die das neue Gesetz für gut befinden.

FPÖ hat "Ruf zu verlieren"

Nun ist eine Facebook-Seite natürlich kein Gradmesser der blauen Wählerschaft. Nicht nur die Basis der Partei, auch der politische Gegner postet mit. Aber die FPÖ gerät mehr und mehr in die Bredouille: Die "soziale Heimatpartei", wie sich die Freiheitlichen nennen, sieht sich als Vertretung der Arbeiter und Arbeitnehmer – und Gewerkschaft wie auch Arbeiterkammer machen gegen die türkis-blaue Arbeitszeitflexibilisierung mobil. Auch Arbeitsrechtler, Arbeitspsychologen und Arbeitsmediziner bringen Bedenken aus Arbeitnehmersicht vor, es jubelt vor allem die heimische Unternehmerschaft.

"Prinzipiell stehe ich zu hundert Prozent hinter der Arbeitszeitflexibilisierung", sagt Markus Abwerzger, Chef der Tiroler Freiheitlichen. "Aber nur, wenn sie auf absoluter Freiwilligkeit der Arbeitnehmer basiert." FPÖ-intern sei ihm kommuniziert worden, dass das mit dem neuen Gesetz auch der Fall sei. Doch: "Sollte es hier Unklarheiten geben, müssen die tunlichst beseitigt werden. Als soziale Heimatpartei haben wir einen Ruf zu verlieren." Die blauen Gewerkschafter waren für den STANDARD am Dienstag nicht erreichbar.

FPÖ will "Arbeitsplatzflexibilisierung"

Manfred Haimbuchner, Oberösterreichs FPÖ-Chef, stellt sich hinter die Regierung und greift seinerseits die Gewerkschaft an, die sich "zum Werkzeug der Opposition" mache. "Sie ist wie ein Schwimmer, der nach Hilfe schreit, ohne Hilfe zu brauchen. Mit dem Effekt: Wenn sie dann Hilfe braucht, wird sie nicht mehr gehört." Die Gefahr, dass die FPÖ-Basis den Aufstand wegen des Zwölfstundentages probt, sieht er nicht. "Die Zeit wird zeigen, dass die Angst, die es jetzt gibt, unberechtigt war." Er geht nicht davon aus, dass es in der Praxis zu Problemen zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern kommt. Und sollte das überraschenderweise doch passieren, könne man das Gesetz noch immer "nachbessern", sagt Haimbuchner.

Er fordert aber auch: Nach der Arbeitszeitflexibilisierung müsse nun die "Arbeitsplatzflexibilisierung" kommen. Es sollten also die Möglichkeiten, auch von zu Hause zu arbeiten, ausgeweitet werden. Hier seien auch gesetzliche Maßnahmen vorstellbar. Dafür werde sich die FPÖ einsetzen, sagt Haimbuchner.

ÖVP-nahe Gewerkschaft fürchtet "Lohnraub"

Die Fraktion Christlicher Gewerkschafter (FCG), die dem Arbeitnehmerbund der ÖVP nahesteht, nennt das neue Arbeitszeitgesetz eine "Falle für junge Familien und Arbeitnehmer mit Gleitzeitvereinbarungen" und fürchtet "Lohnraub". "Die Vorteile aus der flexibleren Arbeitszeit werden nur wenige genießen. Familien mit Kleinkindern und Arbeitnehmer mit Gleitzeit müssen hingegen massive Nachteile in Kauf nehmen", sagt der Wiener FCG-Chef Fritz Pöltl. Es gebe auch kaum Kindergärten mit Zwölf-Stunden-Betrieb. (Katharina Mittelstaedt, Günther Oswald, 19.6.2018)