Der Ex-Finanzminister bei seiner Aussage im Bawag-Prozess.

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Liveticker: Tag 2 für Karl-Heinz Grasser im Buwog-Prozess

Es war der Tag des Karl-Heinz Grasser. 40 Verhandlungstage war er zum Zuhören verdammt gewesen, am Dienstag war er es, der auf dem heißen Stuhl vor der Richterin Platz nahm. Der Erstangeklagte in der Korruptionscausa Privatisierung der Bundeswohnungsgesellschaften und Terminal Tower Linz und einstige Finanzminister bekannte sich nicht schuldig. Und er nahm sein Recht in Anspruch, eine eigene Darstellung der Dinge zu präsentieren. Ausgiebig tat er das, beredt, wie er nun einmal ist – und das den ganzen Verhandlungstag lang.

Aufs Stichwort von Richterin Marion Hohenecker legte Grasser los. Und erzählte, oft an die sechs Schöffen gewandt, seine Version der Dinge, die da im Finanzministerium ab dem Jahr 2000 stattgefunden – oder eben nicht stattgefunden hätten. Die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) wirft dem von 2000 bis Jänner 2007 amtierenden Finanzminister den Tatplan vor, sich schmieren zu lassen.

All das wies Grasser vehement zurück, die Staatsanwaltschaft habe entlastende Aussagen nie gewertet, "weil unbedingt Anklage erhoben werden musste", wie der heute 49-Jährige meinte. Um den Anwesenden zu erklären, was ein Finanzminister alles macht und was nicht, zählte Grasser alle ministeriellen Aufgaben auf, derer es wahrlich viele gibt. Leider habe die Staatsanwaltschaft die Kompetenz nicht gehabt, um die Frage zu klären: "Wer macht was?"

Kaum eine Rolle gespielt

Grasser holte das nach und redete seine Rolle klein, sehr klein. Beim Verkauf der Buwog habe er nur den Prozess politisch aufgesetzt und dann politisch begleitet, für alles andere habe es die Vergabekommission, Beamte, Experten von außen und die Investmentbank gegeben. "Die Politik", und damit meinte Grasser sich selbst, sei "gerade nicht zuständig gewesen".

Er hätte für all das gar keine Zeit gehabt, habe den Verkauf nicht gesteuert, nicht beeinflusst und auch kein Bestechungsgeld verlangt oder genommen. Und der Tatplan? Der habe ihn fast amüsiert, erzählte Grasser im Großen Schwurgerichtssaal des Wiener Straflandesgerichts. Als er in der Anklage davon gelesen habe, "musste ich schmunzeln: Man hat mir zugetraut, dass ich 2000 einen Tatplan machen konnte, weil ich wusste, dass 2006 eine große Provision kommen würde. Die Staatsanwaltschaft hat mich zum Harry Potter der Privatisierung gemacht", griff der 16. Finanzminister der Zweiten Republik zu einprägsamen Bildern. Die Zeugen, die ihn da belasten, täten das aus Rache.

Haider eingebunden

Sehr wohl habe er mit dem Kärntner Landeshauptmann Jörg Haider zu tun gehabt, damals, denn mit ihm habe er das Vorkaufsrecht für die Villacher Wohnungsgesellschaft ESG ausverhandelt. Das sei extrem wichtig gewesen, sei Haider in der Ära Schwarz-Blau doch "die graue Eminenz" und in alle Wichtigkeiten eingebunden gewesen.

Meischberger hat ja ausgesagt, er habe den Tipp für die 960 Millionen Euro von Haider bekommen. Grasser beteuerte, er selbst habe bis zum Ministerrat am 15. Juni 2004 nicht gewusst, ob Kärnten sein Vorkaufsrecht ausüben werde (tat es dann nicht). Und: Er habe auch da nichts beeinflussen können. Dieser Tipp ist spielentscheidend: Die WKStA wirft Grasser vor, diese Information Meischberger gegeben zu haben. Stimmt nicht, sagte Grasser, "die Zahl war nicht von mir".

Relativ wenige Worte brauchte der Erstangeklagte, um den Bestechungsvorwurf bei der Einmietung der Finanz in den Linzer Terminal Tower abzuhandeln. Auch da habe die Staatsanwaltschaft überhaupt keine Beweise, er selbst habe mit der Sache nur am Rande zu tun gehabt. "Das ist eine Seifenblase, die hoffentlich zerplatzen wird", zeigte sich der Angeklagte zuversichtlich.

Geld von der Schwiegermutter

Viel Einblick in seine Welt erlaubte der frühere Minister dann, als es um seine Finanzen und um jene 500.000 Euro ging, die er von seiner Schwiegermutter zum Veranlagen bekommen haben will. Die WKStA wirft Grasser vor, der Betrag stamme aus Schmiergeld. Und sie geht davon aus, dass das liechtensteinische Konto 400.815 Grasser zuzurechnen ist und nicht Meischberger, wie die beiden sagen.

Zusammenhänge zwischen Abhebungen Meischbergers von diesem Konto und Bareinzahlungen auf Grassers Konten gebe es nicht, erklärte der Mann, der 2005 Fiona Pacifico-Griffini aus der wirklich reichen Familie Swarovski geheiratet hatte. Bis dahin hätte er selbst nie etwas bar auf seine Konten eingezahlt, danach schon. Wie das kam? Er habe etwa die Hochzeit bezahlt, seine Frau ihm dann ihren Anteil zurückgezahlt: "In bar, ich kann nichts dafür." Dasselbe sei beim Wohnungsbau in Wien geschehen oder beim Einkaufen. Da sei man in einem Geschäft gestanden, "Fionas Kreditkarte funktionierte nicht, und da habe eben ich bezahlt, und sie gab mir dann das Geld zurück", bot er Einblick in kristallene Welten.

Noch viel tieferen Einblick gab es beim "Schwiegermuttergeld". Seine Schwiegermutter habe ihm und seiner Frau bei einem Besuch in der Schweiz 100.000 Euro schenken wollen, weitere 400.000 sollten bei der Hochzeit folgen. Das Thema gehe sehr weit in seine Intimsphäre und die Privatsphäre seiner Familie, hatte Grasser vorausgeschickt. "So viel Geld", meinte Grasser, er habe das nicht annehmen wollen, habe seine Frau aus Liebe und nicht wegen ihres Geldes geheiratet. Er habe auf Gütertrennung bestanden.

Was tun mit einer halben Million?

Nur habe auch seine Frau das Geld gerade nicht gebraucht, also sei die Idee entstanden, er, Grasser, solle es anlegen. "Ich fahre sicher nicht nach Österreich mit dem Geld und lege es an", sei seine Reaktion gewesen. Nach einem Anruf im Ministerium, ob er das dürfe, habe er es dann doch getan. Er habe die halbe Million letztlich auf 780.000 Euro vermehrt.

Mit der Schwiegermutter gab's dann Zoff, denn sie sei in sein Verfahren hineingezogen worden, was sie "schockte". Man habe lang nicht mehr miteinander geredet. Nach sechs Stunden war Grasser am Ende: Ihm fehle jedes Motiv, durch ein solches Verbrechen sein Leben, seine Ehe und seine Familie zu zerstören. (Renate Graber, Oliver Schopf zeichnet live im Großen Schwurgerichtssaal, 19.6.2018)