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Während Abgeordnete im britischen Unterhaus um mehr Mitsprache bei der Ausgestaltung des Brexits ringen, häufen sich Meldungen über Jobverluste und Investitionsstau wegen des EU-Austritts.

Foto: Reuters / Henry Nicholls

Erneut hat die britische Regierung unter Premierministerin Theresa May am Mittwoch eine drohende Brexit-Abstimmungsniederlage im Unterhaus in letzter Minute abgewendet. Damit dürfte der Verabschiedung des EU-Austrittsgesetzes nichts mehr im Weg stehen.

Allerdings äußern sich Experten auf beiden Seiten des Kanals zutiefst skeptisch über Verhandlungsfortschritte, die eigentlich bis zum EU-Gipfel kommende Woche verzeichnet sein sollten. Auf der Insel häufen sich die Nachrichten von Jobverlusten und Investitionsverweigerungen bei Firmen, die dafür ausdrücklich den Brexit ins Feld führen.

Probleme mit grenzüberschreitenden Verträgen

Im weltweit wichtigsten internationalen Finanzzentrum City of London warnen Fachleute vor Problemen mit 36 Millionen grenzüberschreitenden Versicherungsverträgen im Gesamtwert von umgerechnet 29,6 Billionen Euro.

Wiederum ging es im Unterhaus um die Frage, ob das Parlament im Herbst so rechtzeitig über den bis dahin ausgehandelten Deal abstimmen darf, dass ein Kurswechsel bis zum Austrittstermin Ende März 2019 möglich bleibt. Eine Gruppe proeuropäischer Konservativer unter Führung des früheren Generalstaatsanwalts Dominic Grieve schien vergangene Woche genug Anhänger zu haben, um in Zusammenarbeit mit der Opposition aus Labour, Liberalen und Nationalisten die Regierung auf Kurs zu zwingen. In letzter Minute bot May den Rebellen einen Kompromiss an – und zog ihn zwei Tage später wieder zurück.

Die Fachleute beider Seiten äußern sich unterdessen zunehmend skeptisch darüber, ob der geplante Austrittsvertrag überhaupt zustande kommt. Großbritannien hat eine Woche vor dem EU-Gipfel, auf dem das Thema eigentlich erledigt werden sollte, noch immer keinen praktikablen Vorschlag gemacht, wie eine harte Grenze zwischen Irland und Nordirland zukünftig vermieden werden könnte. Gleichzeitig wird der Ton auch in der Sicherheitsdebatte rauer.

Erhebliche Risiken

Während die EU britischen Firmen die Mitarbeit am europäischen Satellitennavigationssystem Galileo verweigert, erinnerte ein britischer Geheimdienstchef die Verbündeten daran, wie wichtig die Zusammenarbeit bei der Bekämpfung des islamistischen Terrorismus sei. Erkenntnisse seiner Behörde, sagte der GCHQ-Boss Jeremy Fleming, hätten in jüngster Zeit dazu beigetragen, Anschläge in vier anderen EU-Staaten zu verhindern. Unverkennbar schwang in der Mitteilung die Drohung mit, die Verbündeten sollten zukünftig keine Hilfe mehr erwarten.

Die fehlenden Fortschritte in den Brexit-Verhandlungen nahm die City-Lobbygruppe TheCityUK am Mittwoch zum Anlass für eine düstere Warnung: Sollten sich Briten und EU-Europäer nicht auf eine Lösung für langfristige Finanz- und Versicherungsverträge einigen, drohten "erhebliche Risiken für die Finanzstabilität".

Wie ernst Banker, Versicherer und Anlageberater die Gefahr durch einen katastrophalen EU-Austritt nehmen, verdeutlicht das Beispiel des Brexit-Marktschreiers Jacob Rees-Mogg. Während der Tory-Abgeordnete als Einpeitscher der rund fünf Dutzend fanatischen EU-Feinde in seiner Funktion fungiert, verlagert seine Anlagegesellschaft einen Teil ihres Geschäftes in die irische Hauptstadt Dublin.

Weg von der Insel

Ähnlich verfahren US-Banken wie Goldman Sachs, aber auch britische Weltfirmen wie der Turbinenbauer Rolls-Royce (RR) oder die Autofirma JaguarLandrover (JLR). Während RR Standorte in der EU, darunter Dahlewitz bei Berlin, ausbaut, sollen am Stammsitz im mittelenglischen Derby 4500 Jobs verlorengehen.

JLR will die Fertigung des Discovery-Geländewagens in die Slowakei verlagern und in heimischen Werken 1000 Stellen streichen. (Sebastian Borger aus London, 21.6.2018)