Sarajevo – Mittwochfrüh kenterte ein Boot mit zehn Migranten, die versuchten, über die Drina von Serbien nach Bosnien-Herzegowina zu gelangen. Verletzt wurde niemand. Fast drei Viertel der Migranten, die in diesen Tagen nach Bosnien-Herzegowina gelangen, kommen aus Serbien. Viele sind bereits vor Jahren nach Serbien eingereist, von dort aber nicht weitergekommen, unter anderem weil die ungarische Grenze streng bewacht wird. In den serbischen Aufnahmezentren sind auch 682 Minderjährige untergebracht, davon sind 75 unbegleitet. In Bosnien-Herzegowina befinden sich über 300 minderjährige Migranten. Einige Migranten – darunter viele Pakistaner – schlafen mittlerweile vor dem Bahnhof in Sarajevo auf den Verkehrsinseln, weil der Park in der Altstadt geräumt wurde.

Die polizeilichen Maßnahmen werden immer weiter verstärkt. Am Montag wurde beschlossen, dass 200 weitere bosnische Polizisten zum Grenzschutz eingesetzt werden. Insgesamt verfügt die bosnische Grenzpolizei über 1.800 Beamte – die Grenze ist über 1.500 Kilometer lang. Viele Migranten versuchen es mehrmals allen möglichen Stellen, weil sie immer wieder zurückgewiesen werden. An der bosnisch-kroatischen Grenze wurden am Montag 100 Migranten im Wald daran gehindert, in die EU zu kommen. Die etwa 6.500 Migranten, die heuer bereits nach Bosnien-Herzegowina gelangt sind, äußerten in den meisten Fällen den Wunsch, in Bosnien-Herzegowina um Asyl anzusuchen. Sie tun dies allerdings nicht, weil sie die Hoffnung haben, doch noch irgendwie nach Slowenien oder Italien zu gelangen.

Kein legales Durchkommen seit März 2016

Manche kehren auch unverrichteter Dinge wieder nach Serbien zurück. Auf dem Balkan ist es seit März 2016, als die Balkanroute geschlossen wurde, nicht mehr möglich, dass Migranten legal die Grenze passieren. Weil die mazedonische, die bulgarische und die serbische Politik immer restriktiver wurden, versuchen es Migranten seit Beginn des Jahres auch über das unwegsame Albanien, Montenegro und Bosnien-Herzegowina. Es handelt sich aber nicht um eine einheitliche Route, sondern um zahlreiche Versuche an verschiedensten Orten, die Grenze illegal zu überschreiten.

Seit Februar läuft ein Verfahren für die Schaffung einer Statusvereinbarung zwischen Albanien und der EU-Grenzschutzagentur Frontex. Nur damit kann Frontex, die bereits einige Beamte nach Südosteuropa (fünf nach Albanien, zwei nach Bosnien-Herzegowina, vier nach Mazedonien und einen in den Kosovo) geschickt hat, auch exekutive Aufgaben übernehmen. Auch Montenegro will Medienberichten zufolge ein solches Abkommen mit Frontex abschließen. Bisher können Frontex-Beamte nur beratend zur Seite stehen.

Hoheitsrecht der Staaten

Der Grenzschutz ist eine wichtige hoheitliche Aufgabe von Staaten. Deswegen werden wohl auch Berichte über eine angebliche Entsendung von österreichischen oder deutschen Polizisten aufgrund bilateraler Vereinbarungen vom albanischen Innenministerium zurückgewiesen. An einer solchen Entsendung werde nicht gearbeitet, sagt der Kabinettschef des albanischen Innenministeriums, Adriatik Mema, zum STANDARD. "Meines Wissens arbeitet niemand an einer solchen Kooperation."

Auch die Schaffung eines albanischen Zentrums für Migranten, die in der EU abgelehnt wurden oder auf ihren Asylbescheid warten, sei "kein Thema", betont Mema. EU-Migrationskommissar Dimitris Avramopoulos hatte ebenfalls erklärt, dass Initiativen für Asylzentren außerhalb der EU beim Treffen der Innenminister am Dienstag nicht diskutiert worden seien, weder mit Albanien noch mit einem anderen Land. Auch Deutschland ist gegen solche Asylzentren. Zuletzt gab es dennoch immer wieder Berichte, dass Österreich und Dänemark an der Schaffung solcher Zentren auf dem Balkan arbeiten würden, wo Asylwerber außerhalb der EU auf ihren Bescheid und bereits abgelehnte Asylwerber auf ihre Abschiebung warten sollten.

Albanien fordert mehr Ausrüstung für Grenzschutz

Laut dem Innenministerium braucht Albanien andere Unterstützung. Dringend nötig seien etwa Transportmittel für die Grenzpolizei. Die Migranten kämen aus dem EU-Staat Griechenland nach Albanien, deshalb stehe auch die EU in der Verantwortung. Das Innenministerium selbst tue alles, um die Migranten aufzuhalten und zu registrieren. Bisher habe man heuer etwa 2.500 Personen gestoppt, mehr als 1.000 davon an der Grenze. Man gehe auch gegen griechisch-albanische Schmugglernetzwerke vor, brauche dafür neben Vans aber auch Motorräder, Wärmekameras, Feldstecher, Radaranlagen und Drohnen. Auch für den Grenzschutz an der Adria brauche es Ausrüstung, sagt Mema zum STANDARD. Bisher habe Albanien vor allem Ausbildung und Ausrüstung von den USA und Deutschland erhalten.

Albanische Politiker hatten sich in den letzten Wochen gegenüber den österreichischen Plänen offiziell offen gezeigt, weil die Regierung Unterstützung für den Beginn der Beitrittsverhandlungen braucht, über die Ende Juni entschieden wird. Albanien ist somit, was die Wünsche von EU-Staaten betrifft, in gewisser Hinsicht "erpressbar". Die anhaltenden politischen Ansagen Österreichs, man werde im Fall eines Flüchtlingszustroms die Grenzen schließen, haben auf dem Balkan zu Reaktionen geführt. Falls Österreich und Slowenien die Grenzen wirklich komplett schließen sollten, werde man das auch in Bosnien-Herzegowina tun, heißt es in Sarajevo. (Adelheid Wölfl, 21.6.2018)