Love, Peace and Understanding – und dazwischen ein wenig Ausschweifen gehen: Ringo Starr gastierte in der Stadthalle.

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Irgendwann einmal während des Konzerts gehen mit dem bald 78-jährigen Ringo Starr die jungen Pferde durch: "Schau mal, dort drüben stehen zwei heiße 60-jährige Chicks. Machen wir Party!" Das macht uns allen Mut. Wir sind heute gekommen, um uns nicht nur vor dem vierten Beatle, der Etablierung der Popmusik im großen Stil sowie der Erfindung des vorehelichen Sex und der langen Haare zu verbeugen. Wir ziehen heute auch den Hut (Hauptsache Haare!) vor der eigenen Jugend – soweit das heute mit dem Hexenschuss oder dem Reißen in den Wadeln möglich ist.

Standing Ovations und Mitpaschen auf einer Nebenspur des auf der Bühne vorgeschlagenen Viervierteltakts sind auf jeden Fall möglich. Ringo Starr singt ganz im Gestus eines Heizdeckenverkäufers im roten Showkostüm steckend: "It don't come easy."

Standing Ovations kann man einem Künstler naturgemäß nur dann erweisen, wenn die Halle bestuhlt ist. Wir Golden Oldies wissen Bestuhlung ebenso zu schätzen wie die angenehme Konzertbeginnzeit von Schlag halb acht Uhr abends ohne Vorband. Da gehen sich vor dem Bett noch die ZiB 2 und ein Häferl Magenfreund aus. Wellness aus der Tasse!

Lange sitzen durfte man beim aktuellen Gastspiel Ringo Starrs in der Stadthalle aber nicht. Gegen die Kabel im Genick ist ein wenig Bewegung aber eh nicht das Schlechteste. Gesundheit ist das Wichtigste. Freilich.

Der Mann mit dem Unsterblichkeitsgen

Wie sich schon nach wenigen gemütlichen Hadern der Ringo All Starr Band in der Wiener Stadthalle herausstellt, befinden wir uns gemeinsam mit dem turnschuhfitten Namensgeber, der mit einem in Los Angeles jahrzehntelang aus einem unter Schweinsbratenverbot stehenden Jungbrunnen destillierten Unsterblichkeitsgen gesegnet ist, mitten in einer Firmenweihnachtsfeier, einem 50-Jahr-Maturajubiläum oder dem 85. Geburtstag des Schwiegervaters.

Zu diesem Anlass wurde eine Tanzkapelle geladen, die noch vor dem Mauerfall zu Zeiten des Kalten Kriegs in den im Leithagebirge versteckten Geheimlabors von Radio Burgenland im Rahmen einer ausführlichen Gehirnwäsche zu einem Spezialkommando in Sachen Kriegsführung mit Ohrwürmern, Rock 'n' Roll, gebrochen durch Schlager und einem Kessel Buntes aus den Swinging Sixties, die sich leicht mitsingen lassen, ausgebildet wurde.

Ringo Starr selbst wird an diesem Abend nicht sehr viele Lieder selbst singen. Don't Pass Me By, Yellow Submarine, With A Little Help From My Friends aus dem Beatles-Katalog, eh klar. Photograph und You're Sixteen aus seiner gemütlich verschlampten Solokarriere sowieso.

Ein Gitarrensolo wie eine Ehe

Allerdings beschäftigt Ringo Starr in seiner All Starr Band Leute, die maßgeblich daran beteiligt waren, dass einem in den 1980er-Jahren schon wenige Minuten, nachdem man das Kuchlradio aufgedreht hatte, auf dem Kopf Fönfrisuren und im Sakko Schulterpolster wuchsen. Ringo Starr ließ sich hinter seiner Schießbude von einem zweiten Schlagzeuger unterstützen, während sich vorn das Grauen mit Colin Hay, dem ehemaligen Sänger der australischen Men At Work und seinen Flächenbrandits Down Under und Who Can It Be Now? über den Saal senkte. Den hatte – hinten und vornhe dran mit Extraschmerz – schon Steve Lukather von Toto mit seiner Gitarrensammlung und seinem einen großen Endlos-Gniedel-Angebersolo in die Kapitulation gezwungen. Rosanna und Hold The Line, so schlimm ist amerikanische Schlagermusik selten wieder geworden. Während eines Solos von Steve Lukather haben sich Menschen schon ineinander verliebt, haben sich gestritten, auseinandergelebt und wieder scheiden lassen. Nach einer Rauchpause sind sie dann wieder in den Saal gekommen und Steve Lukather hat noch immer gegeigt. Der Mann kennt keine Gnade.

Gregg Rolie an der Hammond-Orgel kommt aus der frühen Besetzung von Santana. Er steuerte Black Magic Woman und Oye Como Va bei (Lukather solierte). Graham Gouldman von 10cc sang bei gemütlichem Betriebstempo (Wo sind die Hände?!) seine alten Hits Dreadlock Holiday und I'm Not In Love. Ringo Starr grinste und machte das Zeichen für den Weltfrieden. Yellow Submarine ist übrigens ein wirklich schlechtes Lied, das muss man einmal sagen.

Wieder zu Hause auf dem Sofa war es für das Kreuz ein wahrer Segen. Give peace a chance! (Christian Schachinger, 21.6.2018)