"Geliehene" These: Rirkrit Tiravanijas Graffiti, das auf einem Zitat des polnischen Lyrikers Stanislav Jerzy Lec beruht.

Foto: Art Basel

Das Miauen aus den Tiefen der Kanalisation in einer Gasse der Baseler Innenstadt war mehr als deutlich zu hören. Passanten wähnten ein gefangenes Kätzchen und informierten die Polizei. Die Feuerwehr rückte zur Tierrettung aus, um am Ende festzustellen: kein Kätzchen, "nur" Lautsprecher, eine Soundinstallation der in Basel ansässigen Künstlerin Hannah Weinberger, Teil des frei zugänglichen Art Parcours in der Altstadt.

Einer der für Bewohner der Stadt heuer fast schon gewöhnungsbedürftigen Nebenschauplätze der 49. Auflage der Art Basel mitsamt ihrem über die Jahre angewachsenen Hofstaat an Satellitenformaten hat sich die "Königin der Kunstmessen" über die Jahre zu einem bedeutenden Wirtschaftsfaktor am Dreiländereck Schweiz/Deutschland/Frankreich entwickelt. Hoteliers und die Gastronomie jubeln jährlich.

Auch Airbnb-Anbieter reiben sich angesichts der wachsenden Auslastung die Hände. Die 2000 in diesen Tagen verzeichneten Gäste entsprechen einem Zehntel der übers Jahr bei Privaten einquartierten Kostgänger bzw. dem Vierfachen der Folgewoche. Nun ist der Zirkus vorüber, der Tross (selbsternannter) Kunstliebhaber zog mit oder ohne Beute weiter, und das Miauen des vermeintlichen Kätzchens ist verstummt.

Massive Kluft

Knapp 95.000 Besucher vermeldete der Veranstalter Sonntagabend, hauptsächlich aus Europa, in nennenswertem Umfang auch aus Asien. Der Kassensturz der 290 teilnehmenden Galerien fällt unterschiedlich aus und verdeutlicht die massive Kluft zwischen konzernartigen Unternehmen und den mittleren und kleinen Galerien.

Das Verkaufsstaccato bei den Großen hatte schon vor der VIP-Preview begonnen. Ein- und zweistellige Millionenbeträge für dies und das, was in Museen eben gerade abgefeiert wird oder wofür internationale Auktionshäuser Höchstzuschläge verzeichnen. 14 Millionen Dollar für Joan Michells Composition aus dem Jahr 1969, weitere 4,75 Millionen für Louise Bourgeois' The Three Graces von 1949, um nur die teuersten der innert der ersten Stunden bei Hauser & Wirth verzeichneten Besitzerwechsel zu erwähnen.

Begehr nach Begehrtem

Trophäenjäger hatten Hochsaison, das Halali schrie förmlich aus den Kojen und von den teils überfüllten Kabinenwänden. Bei Larry "Gogo" Gagosian, der mittlerweile ein 18 Standorte umfassendes Imperium verwaltet, plärrten Werke von Roy Lichtenstein, Willem de Kooning, Takashi Murakami, Tom Wesselmann und Andy Warhol um die Wette, samt Backgroundgesang von Gerhard Richter und Georg Baselitz. Um die Aura dieser Kunstwerke geht es in diesem Umfeld kaum noch, vielmehr um das Begehr nach Begehrtem.

Am Angebot orientiert lag der Trend der aktuellen Ausgabe stärker als zuletzt im Trophäensegment. Die Art Basel drohe schon bald an ihrem eigenen Erfolg zu ersticken, wie ein Kunstmarkt-Chronist aktuell treffend analysierte. Zumal die kleineren Galerien mit ihrem nur sehr eingeschränkt am Kunstmarktkommerz orientierten Programm in diesem monströsen Luxus-Kunstsupermarkt indirekt fast schon zu Statisten verkommen.

Ein "schwacher Jahrgang", urteilte das deutsche Handelsblatt, "Der Kult einer irrationalen Verausgabung", titelte die Neue Zürcher Zeitung. Einen Trend zur Malerei, dem Leonardo da Vincis Rekordpreis vorausging, attestierte hingegen die Süddeutsche Zeitung. "Die Millionen-Grenze, vor der Käufer früher zurückschreckten, ist gefallen", so die Analyse.

Das von Messedirektor Marc Spiegler apostrophierte stärkere Aufkommen politischer Statements zu den Krisen der Welt wollten andere als neuen Trend erkennen. Aber auch der hat bisweilen seinen Preis. Im Falle von Roberto Longos von Thaddaeus Ropac offerierter Installation Death Star 2018 lag dieser bei 1,5 Millionen – Dollar oder Euro? Egal.

Munition käuflich erworben

Die mit 40.000 Patronenhülsen bestückte Kugel greift die zunehmenden Amokläufe und Massenschießereien in den USA auf. Im Gespräch mit Artnet plauderte Longo aus dem Nähkästchen: Für die Produktion habe er die Munition ohne Probleme käuflich erwerben können, sei nicht einmal gefragt worden, wofür er diese Menge an Patronen benötige.

Die Installation gehörte unter den Besuchern zu den beliebtesten Fotomotiven und fand in einem europäischen Museum eine neue Heimat. "Freiheit kann man nicht simulieren", die vermeintlich vom thailändischen Künstler Rirkrit Tiravanija vertretene These, die tatsächlich ein Zitat des polnischen Lyrikers Stanislav Jerzy Lec ist, gab es sowohl in handlichem Siebdruckformat (Chantal Crousel, Paris) als auch als Graffiti (Neugerriemschneider, Berlin).

Wer die subversive, exzentrische und dabei noch leistbare Kunst suchte, wurde, wie schon in den Jahren zuvor, bei den Satellitenformaten fündig. Zusätzlich zu den bisherigen sieben, etwa der "Liste – Art Fair Basel" (seit 1996), der "Voltashow" (seit 2005) oder der zwölften "Scope Art Fair", gab heuer Nummer acht ihr Debüt: die ausschließlich auf Arbeiten auf Papier fokussierte "Paper Positions", die nach Ausgaben in Berlin (seit 2016) und München (2017) nun in einer aufgelassenen Druckereihalle mit 25 Ausstellern ihr temporäres Quartier bezog. (Olga Kronsteiner, Album, 23.6.2018)