Im Zwischennutzungsprojekt "Das Packhaus" sind 83 Unternehmen angesiedelt. Frei ist derzeit nur noch ein Raum und einzelne Flex- & Shared-Space-Plätze.

Foto: Paradocks

Ein rotes Backsteinhaus im 15. Wiener Bezirk. Applaus dringt aus einem großen Raum im Erdgeschoß, gerade läuft ein Workshop für Jungunternehmer.

Hier im Coworking-Space "Stockwerk" in der Pater-Schwartz-Gasse sind viele Start-ups und kleine Unternehmen stationiert. Wo einst eine metallverarbeitende Fabrik war, gibt es seit nunmehr fast fünf Jahren Flexdesks, Fixdesks und Extras wie Kaffee-Flatrate, Firmenschild oder Twentyfour-Seven-Zugang.

Es ist die einzige Immobilie, die sich "Stockwerk"-Gründer Alexander Salzmann angeschaut hat. "Die Flächen, die Größe der Räume und die Beleuchtung durch die großen Fenster – alles hat für das gepasst, was ich vorhatte." Die Idee ist entstanden, weil der Historiker viel allein zu Hause und in stillen Archiven gearbeitet hat und ihm die Decke auf den Kopf fiel. Als er temporär Bürounterschlupf bei Freunden fand, reifte die Idee, etwas zu schaffen, das Menschen in ähnlichen Situationen anspricht.

Gemeinschaftliches Pizzaessen

"Mein Schwerpunkt liegt eindeutig auf dem Gemeinschaftsaspekt", so Salzmann, der während des Gesprächs gerade das freitägliche Pizzaessen im Haus organisiert. "Du bist nicht allein", so lautet auch einer der Werbeslogans auf einem der Flyer, die in der Gemeinschaftsküche aufliegen. Man lebe und arbeite hier im freundschaftlichen Miteinander, alles ist genau so, wie es der Gründer selbst gern hätte, würde er sich in einem Coworking-Space einmieten: keine Bindungsfrist, keine Kaution, keine versteckten Zusatzkosten, keine Türpolitik. So haben sich im Laufe der Jahre verschiedene Freelancer und Kleinstunternehmen eingemietet. Es gibt Programmierer, Fotografen, Übersetzer, sogar einen Erbenermittler.

Die meisten blieben relativ lange, manche sind fast von Anfang an dabei. Manchmal ergeben sich auch Synergien: Mehrere Unternehmer tun sich zusammen und ziehen gemeinsam aus, wenn sie erfolgreich sind und mehr Platz brauchen. "Allerdings kommen manche auch drauf, dass das Coworking nichts für sie ist, etwa weil sie weniger Zeit als gedacht am Arbeitsplatz verbringen, eher bei Kunden unterwegs sind", so Salzmann.

Damit das Haus läuft, sind vier weitere Mitarbeiter im Haus, die dafür sorgen, dass Druckerpapier nachgelegt und die Post verteilt wird, Veranstaltungen organisiert werden. Verbots- oder Gebotsschilder sucht man vergeblich, lediglich den Geschirrspüler sollte man einräumen. Der Fokus liegt hier auf Coworking-Räumen, in denen sich Nutzer temporär Schreibtische in größeren Gemeinschaftbüros mieten können. "Der Zehn-Werktage-Block um 120 Euro ist genau das, was die Leute wollen", so Salzmann – mit freier Platzwahl, freier Nutzung von Internet, Drucker, Besprechungsräumen und allen anderen Einrichtungen. Bei dieser Variante müssen die Nutzer allerdings am Abend reinen Tisch machen, am nächsten Tag kann schon wieder jemand anderer dort sitzen.

Längerfristige Mieter

Es gibt aber auch längerfristig vermietete fixe Tische, die exklusiv vom Mieter genutzt werden. Einer davon ist Johannes Stehle, der als EPU schon seit mehr als drei Jahren hier arbeitet. Diese Variante kostet 240 Euro pro Monat inklusive eines Extras. "Ich hatte keine Lust mehr, als Freiberufler mein eigenes Süppchen daheim zu kochen", so der Übersetzer und Dolmetscher, der es schätzt, dass hier alles vorhanden ist und er in Ruhe arbeiten kann.

Gemeinsam gearbeitet wird auch in der Marxergasse. Im Start-up-Hub "Das Packhaus" ist das Konzept aber ein anderes: Es beruht auf Zwischennutzung. Und auch hier gibt es einige flexibel mietbare Schreibtische im Erdgeschoß (ab 125 Euro pro Monat), aber der Fokus liegt eher auf eigenen Büroräumen für Unternehmen in den oberen Stockwerken. Die Räumlichkeiten sind daher auch sehr individuell: Hier das eher konservative Büro eines über 70-jährigen Juristen mit Teppich und Aktenordnern, dort der von Zimmerpflanzen dominierte Raum des Start-ups Ancient Game von Stefanie Baier. Es bietet eine App an, mit deren Hilfe sich sowohl virtuelle als auch echte Bäume pflanzen lassen.

Ein langjähriger Nutzer ist Johannes Berger von Mimo, dessen Unternehmen Menschen per Handyapp das Programmieren beibringt. Vor drei Jahren haben sie mit vier Leuten begonnen, Vollzeit daran zu arbeiten. "Wir brauchten damals einen kleinen Raum, dann nahmen wir bald einen zweiten dazu, und jetzt haben wir für 17 Leute fünf Räume", so Berger, der die Umzugsmöglichkeiten in dem über 4000 Quadratmeter großen Gebäude schätzt. Demnächst zieht das Unternehmen aus, weil es noch viel Größeres braucht.

"Es ist super, wenn die Unternehmen auch wieder rausgehen, weil sie so erfolgreich sind", so Margot Deerenberg, die den Verein Paradocks, der das "Packhaus" betreibt, 2014 gegründet hat. Die Stadtgeografin, gebürtige Niederländerin, sieht es als Raumunternehmen. "In Wien wird Zwischennutzung immer so negativ gesehen", meint sie und verweist auf Amsterdam, wo man viel natürlicher mit dem Thema umgehe. Allerdings seien die Erfahrungen mit den Jahren auch hier besser geworden: "Menschen aus der Nachbarschaft hatten anfangs sogar Angst vor Hausbesetzern, daher war mir ein reales Pilotprojekt so wichtig", so Deerenberg.

Ein weiteres Jahr Zwischennutzung

Mittlerweile kommen auch ältere Menschen vorbei und loben, was aus dem Gebäude geworden ist. Die nicht besonders hübsche Immobilie aus den 1970ern war einst Sitz des Bundesrechenzentrums, gehörte dann der Conwert, seit kurzem der Immobilienfirma I & Co Realtrade. Diese hat Pläne mit der Immobilie, die Umsetzung dauert noch. "In der Zwischenzeit schauen wir, dass das Gebäude nicht verfällt", sagt Roland Hemedinger, der den Verein berät. Die Zwischennutzung wurde vorerst wieder für ein Jahr ausverhandelt. Aufgrund des Konzepts können Räumlichkeiten relativ günstig angeboten werden.

"Man belebt ein Viertel und schafft sozialen Mehrwert, indem man Start-ups auf die Beine hilft und das Haus nicht leer bleibt", beschreibt WKÖ-Bauträgersprecher Hans Jörg Ulreich die Vorteile für Immobilienbranche, Grätzel und Zwischennutzer. Um solche Gebäude als "normale" Büroimmobilien vermieten zu können, wären hohe Investitionen nötig – die sich angesichts der bevorstehenden Sanierung nicht mehr auszahlen. Gut für all die Designer, Programmierer, Künstler, Spieleentwickler, Volksbegehren, Nachbarschaftsnetzwerke und Architekten im Haus. (Marietta Adenberger, 26.6.2018)