Flaches Produktversprechen: Bei der Einführung 2016 wurden die Dash-Buttons belächelt. Mittlerweile hat Amazon zwei Millionen Stück davon verkauft.

Foto: Amazon

Seit drei Wochen kleben sie an neuralgisch wichtigen Punkten in meinem Badezimmer: Fünf etwa daumengroße, flache Plastikteile mit jeweils einem runden Druckknopf. An der Waschmaschine, am Badezimmerschrank, neben dem Spiegel. Ariel steht darauf, Oral-B, Gillette, Manhattan Cosmetics oder Nivea. Jedes einzelne dieser unscheinbaren Dinger kümmert sich um mich, mein Wohlbefinden, meine Versorgung. So jedenfalls habe ich mir das vom Online-Versandhändler Amazon suggerieren lassen. "Dash-Button" heißt das Gimmick, zusammengesetzt aus den englischen Worten "to dash" – sausen, flitzen – und "button", der Knopf.

Das funktioniert so: Ich drücke, wann immer ich will, auf den Knopf, der per WLAN mit dem Internet der Dinge verbunden ist, konkret mit der Amazon-Logistik, und sofort saust jemand los und bringt mir eine Packung der benötigten Ware. Waschpulver, Windeln, Kosmetik, Hygieneprodukte, Putzmittel, Tierfutter, Bier, Champagner, Kaffee, Kondome, Batterien. Jeder Button ist an eine Marke und deren Produkte gekoppelt. Das Beste dran: Ich drücke bloß, sausen muss ein anderer. Geht etwas zur Neige: klick.

Push the button, Klopapier da

Wurden die "Dash-Buttons" bei ihrer Einführung vor zwei Jahren eher belächelt und nur von ein paar Early Adoptern ernst genommen, so können in Österreich mittlerweile rund 1500 Produkte mithilfe von 50 pickfesten Kaufknöpfen bestellt werden. Am Ende schlurfen wir durch die Wohnung, drücken mal hier, mal da, und der Einkauf ist erledigt. Gott, wie praktisch!

"Mehr Zeit mit Deinem Haustier, weniger in der Warteschlange", wirbt der E-Commerce-Gigant für die Idee. Tier habe ich keines, aber trotzdem eine Hoffnung: Endlich muss ich nicht mehr mit der 10er-Packung Klopapier unter dem Arm nach Hause hetzen, daran denken, dass das Waschpulver bald aus ist oder einen Zwischenstopp für den Kauf von Batterien einlegen. Nur beim ersten Mal muss ich den Dash-Button mit dem WLAN verbinden und auf der Amazon-App ein Produkt aussuchen, das fortan bei jedem Klick bestellt wird.

Kundenbindung inklusive

Amazon und jene Marken, die ihr Sortiment über dieses Abo-Commerce-Modell anbieten, freuen sich klammheimlich über die unzertrennliche Kundenbindung. Wer sich den Ariel-Button auf die Waschmaschine pickt, wird kaum je einen Persil-Knopf daneben anbringen, und nie wieder vor einem Waschpulverregal sinnieren, ob das neue "Sensitiv-Blütenduft-noch-weißer"-Gel vielleicht besser wäre. Man kauft also nicht einfach nur ein Produkt, sondern gibt auch gleich so etwas wie ein Treuegelübde ab. So durchsichtig das Modell, so wenig stört es mich. Wer meine Faulheit unterstützt, darf sich auch selbst belohnen. Außerdem: Ist es nicht sogar ein wenig cool, nie wieder über die Produkte des täglichen Bedarfs nachzudenken?

Verbraucherschützer sehen das anders. Der "Dash-Button", so entschied das Landgericht München auf eine Klage der deutschen Verbraucherzentrale NRW im März, sei nicht rechtskonform. Der Konsument werde nämlich nicht ausreichend über die georderte Ware und den Preis informiert. Besonders stieß die Tatsache auf, dass sich Amazon Preisänderungen in seinen allgemeinen Geschäftsbedingungen vorbehält. Oft sei es aber Monate her, dass der Kunde sich auf ein bestimmtes Produkt festgelegt habe.

Eine Frage des Preises

Käufer dürften sich also nicht darauf verlassen, dass sie immer beim Betätigen des Buttons den gleichen Preis zahlen. Das Urteil ist nicht rechtskräftig, Amazon hat Berufung eingelegt. In Österreich gab es beim Verein für Konsumenteninformation zwar keine Beschwerden von Konsumenten, trotzdem prüft man ein Verbandsverfahren gegen Amazon.

Grund zur Aufregung gibt es beim Test zumindest in preislicher Hinsicht nicht. Die per "Dash" angebotenen Produkte sind im Vergleich sogar günstiger als beim Drogeriemarkt ums Eck. Eine Flasche Ariel-Vollwaschmittel für 40 Waschladungen ist mit 8,51 Euro rund einen Euro billiger als im Geschäft in der Nähe. Die 3er-Packung Oral-B Aufsteckzahnbürsten kostet via "Dash"-Order 10,45 Euro, im Einzelhandel variiert der Preis zwischen 15,90 und 17,99 Euro. Lieferkosten zahlt man nicht. Der Preisvorteil kommt nicht von ungefähr: Schließlich spielen die von Marken in Supermärkten teuer erkauften Regal-Listings hier keine Rolle mehr.

Nahversorgung ade?

Die Supermärkte geraten so unter Druck. Mich beschleicht ein unangenehmer Gedanke: Was, wenn ich durch mein superkomfortables Knopfdruck-Shopping an der Waschmaschine die Nahversorgung im ganzen Viertel in den Ruin treibe? Wo werde ich dann einmal einkaufen, wenn ich etwas anderes brauche als die immer gleichen Dauerwaren?

Ach was, kommod und günstig schlägt Gewissensbisse. "Push the Button", fertig. Wieder etwas erledigt und nicht mehr als den Zeigefinger bewegt. Das gibt ein Brizzeln im Belohnungssystem des trägen Konsumenten, einen kurzen #RealLifegasm, der aber längst verflogen ist, bis der erworbene Artikel eintrifft. Ist der Klick der Höhepunkt, dann ist die Zustellung der Bestellung noch nicht einmal mehr das Kuscheln danach. Vier Tage dauert es, ehe das dringend benötigte Waschpulver tatsächlich geliefert wird. Ich sollte wohl dauernd zuhause sitzen und auf das Eintrudeln der Bestellungen warten, während ich, jaja, ich weiß, mit meinem Haustier Zeit verbringe. Ich will aber immer noch kein Tier.

Kaffee-Tabs mit Sensoren

Ich bin nicht zu Hause, als der Bote zweimal klingelt. Und weil ihm die Größe der 2-Liter-Flasche das Deponieren im Postkasterl unmöglich macht, parkt er es im Café ums Eck. Wenige Meter davon entfernt: ein Supermarkt. Spätestens da wird einem klar, dass man mit einem falschen Produktversprechen geködert wurde.

Der Dash-Button ist aber bloß der Einstieg in die Auslagerung des Shoppings an automatisierte Vorgänge. Mittlerweile gibt es Plastikbehälter mit Sensoren, die niedrigen Füllstand erkennen und ganz von allein einen Bestellauftrag absenden. Die Kaffee-Tabs gehen zur Neige? Die neue Packung läutet schon an der Tür. Nie war Entmündigung konsumentenfreundlicher!

Ach, und die Daten? Klar, Amazon kriegt nach und nach ein immer deutlicheres Bild von meinem Lebenswandel. Beim Waschmittel ist das Lüften der Geheimnisse eher harmlos, aber beim plötzlichen Anstieg der Kondombestellungen?

Bei mir überwiegt noch die hirnlose Freude am neuen Gimmick und an den eingesparten Wegen. Bis ich die App auf meinem Smartphone öffne, die meine täglichen Schritte zählt. Sie leuchtet rot. Ich gehe zu wenig. Ich sollte vielleicht ein paar Mal zum Supermarkt und wieder zurück spazieren. Bloß so. (Nana Siebert, 24.6.2018)