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Die Initiative "Mission Lifeline" nahm diese Migranten am Freitag auf ihr Schiff. Nun ergeht es diesem wie der Aquarius. Weder Malta noch Italien wollen es anlegen lassen.

Foto: Reuters/HO

Die Anspannung war sichtlich groß, als die Staats- und Regierungschefs von 16 der insgesamt 28 Mitgliedstaaten der Europäischen Union am Sonntag in Brüssel in der EU-Kommission eintrafen. Nur ein "Arbeitstreffen, ein Beratungstreffen" finde hier statt, "keine Entscheidungen, noch", sagte der französische Staatspräsident Emmanuel Macron.

Er kam als einer der Letzten an. Ganz oben, in der Etage von Präsident Jean-Claude Juncker, hatte man sich auf eine "sehr schwierige Aussprache" zum Thema Migration vorbereitet. Interessant war, wer aller nicht zum Treffen kam: alle vier Visegrád-Länder, die drei baltischen Staaten, Großbritannien und Irland, Zypern und Portugal. Kein Interesse.

Auch das sei ein Hinweis, von welcher EU-Gruppe das Problem – wenn überhaupt – angepackt werden wird, mit den "Kerneuropäern" im Zentrum, hieß es. Die derzeitige Lage sei jedenfalls "extrem prekär", befand Maltas Premier Joseph Muscat. Seine Insel ist, was die Ankunft von Booten mit Flüchtlingen betrifft, noch exponierter, seit Italiens radikale Regierung aus Lega und Fünf-Sterne-Bewegung den Kurs deutlich verschärfte und Häfen sperrt.

Rom fühlt sich überfordert

Der neue Premier Giuseppe Conte forderte bei der vier Stunden dauernden Diskussion mit seinen Kollegen einen "radikalen Wandel": Die geltenden EU-Regeln (Dublin III), wonach man im Land der Ankunft in Europa ein Asylverfahren durchführen müsse, müssten "komplett überwunden werden".

Rom fühlt sich überfordert. Frankreich schickte 2017 Zehntausende Asylwerber, die bereits in Italien registriert sind, auf Basis eines Abkommens wieder zurück. So ein Vorgehen will auch der deutsche Innenminister und CSU-Chef Horst Seehofer, weshalb er vor zehn Tagen einen heftigen Streit mit Kanzlerin Angela Merkel angezettelt hatte – bis hart an den Koalitionsbruch.

Merkel lehnt das direkte Abweisen von Asylwerbern an der Grenze ab. Aber über dieses sehr komplexe Thema, nämlich wie man Asylverfahren gemeinschaftlich abwickelt und anerkannte Asylwerber auf die EU-Staaten verteilt, ob man dafür bi-, tri- oder mulitlaterale Abkommen braucht, wurde relativ wenig gesprochen. Das seien Fragen, die man erst in einem zweiten Schritt in einem "Gesamtpaket" werde lösen können. Ein solches sei derzeit unrealistisch, sagte Merkel.

Ihr Streit mit Seehofer war Auslöser des Gipfels. Sie wollte eine "europäischen Lösung" zur Rückführung von "sekundären Migranten", Asylwerbern, die in andere EU-Staaten weiterwandern, um bessere Chancen zu haben. Die Kanzlerin sagte nach dem Treffen, man sei sich "einig, dass Asylwerber und Schlepper sich nicht aussuchen dürfen, in welchen Ländern sie Asylanträge bearbeiten lassen".

Frontexstärkung schon 2020

Ob der CSU das reicht, wird sich am Montag entscheiden. Diese innerdeutsche Affäre war für die EU-Partner zweitrangig: "Es geht nicht um das Überleben Merkels", meinte der luxemburgische Premier Xavier Bettel. Die meisten EU-Staaten drängten auf einen restriktiveren Kurs beim Schutz der EU-Außengrenzen, die Beneluxstaaten ebenso wie Frankreich oder Spanien.

Bettel war neben Macron der Einzige, der leisen Optimismus versprühte, dass dies auch bereits kommende Woche beim regulären EU-Gipfel beschlossen wird. Bundeskanzler Sebastian Kurz bestätigte am Ende, dass man sich im Grunde einig sei, die Grenzschutzbehörde Frontex bereits ab 2020 auf 10.000 Grenzbeamte aufzustocken, nicht erst 2027.

Merkel lobt "guten Willen"

Das Mandat etwa zur Zusammenarbeit mit der libyschen Küstenwache solle verstärkt werden. Ziel: Die Migranten sollen daran gehindert werden, die Fahrt über das Mittelmeer aufzunehmen, bzw. wieder zurückgebracht werden. Laut Merkel soll es nach dem Vorbild eines Deals von Italien mit Libyen oder dem EU-Türkeipakt weitere Vereinbarungen mit anderen Staaten geben. Sie zeigte sich zufrieden, dass alle "guten Willen gezeigt" hätten.

Ob und wie es mit der Errichtung von "Hotspots", von der EU bezahlten Lagern in südlichen EU-Ländern oder auch außerhalb, in Albanien, dem Kosovo oder in Nordafrika, blieb offen. Macron betonte stark den humanitären Aspekt, von Anfang an zwischen Flüchtlingen und Wirtschaftsmigranten zu unterscheiden, Asylverfahren in Lagern abzuwickeln, die akzeptierten Asylwerber dann aber auch fair und rasch in der EU aufzunehmen.

Details dazu werden beim EU-Gipfel diese Woche diskutiert. Italiens Premier Conte machte aber deutlich, dass er sowohl Aufnahmelager ablehne wie auch die Rücknahme von Asylwerbern. (Thomas Mayer aus Brüssel, 24.6.2018)