Körperbeherrschung, Ausdauer und jede Menge Mut: Eva Spielmann (li.) und Eva Ladstätter auf ihren Downhill-Einrädern.

Foto: Klaus Spielmann

Unterm Sitz ist der Bremshebel angebracht. Die Bremse hilft beim Stabilisieren des Einrads im steilen Gelände.

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Auch fürs Einrad gibt es diverse Spielarten von Downhill bis Trial.

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Je steiler das Gelände, umso besser für Einrad-Downhill.

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Die beiden Sportlerinnen sind auf dem Einrad prinzipiell zu zweit unterwegs: "So macht es mehr Spaß, und man ist nicht alleine, sollte etwas passieren."

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Eva Spielmann auf den Trails über Innsbruck.

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Eva Ladstätters Körperbeherrschung kommt nicht von ungefähr. Die 22-Jährige ist auch Artistin.

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Innsbruck – Es kann gar nicht steil genug sein, wenn Eva Ladstätter (22) und ihre Freundin Eva Spielmann (19) aufs Rad steigen. Gemeint ist kein Tandem, sondern spezielle Downhill-Einräder, auf denen die beiden talwärts fahren. Ihre Lieblingsstrecken zählen zum Knackigsten, was Tirol an Downhills zu bieten hat: der Nordkette-Singletrail, der Einseinser-Trail am Stubaier Elfer oder die neue Rennstrecke in Götzens.

Der Kanadier Kris Holm gilt als Pionier des Einrad-Downhill- und -Freeridens.
ChangeyUnimaniak

Begonnen haben die beiden klein, auf herkömmlichen 20-Zoll-Einrädern, wie man sie von Spielplätzen kennt. "Wir waren beide ungefähr zwölf Jahre alt, als wir, noch unabhängig voneinander, zum ersten Mal Einrad gefahren sind", erzählen sie. Vor vier Jahren stellten die nunmehrigen Freundinnen die gemeinsame Einrad-Historie fest und beschlossen auszuprobieren, ob sie es wohl noch können. Sie konnten. Und zwar so gut, dass sie gleich einen Forstweg hinunterradelten.

Einradfahren beansprucht die Arme

"Es ist eine Mischung aus Körperspannung und Ausdauer", beschreiben sie die Herausforderung beim Einrad-Downhill. Während man beim herkömmlichen Mountainbiken auf zwei Rädern die Stabilität durch Geschwindigkeit erreicht, werde sie am Einrad durch die Körperspannung gesichert. "Am Anfang hatten wir vor allem Muskelkater in den Armen und im Rücken, vom Ausbalancieren."

Eva Ladtstätter fährt ein Einrad, das sie vom deutschen Profi und mehrfachen Weltrekordhalter Lutz Eichholz gekauft hat.
DW Deutsch

Für den Downhillsport sind gewöhnliche 20-Zoll-Einräder nicht geeignet. Dazu gibt es eigene Modelle. Die beiden Innsbruckerinnen fahren auf 24-Zoll-bereiften Downhill-Einrädern (auf den Bildern ist auch noch ein 20-Zoll-DH-Einrad zu sehen), die mit Bremsen ausgestattet sind – die Maturantin Eva hat eine hydraulische Scheiben-, die Chemiestudentin Eva eine hydraulische Felgenbremse. Der Bremshebel ist direkt unter dem Sitz angebracht. Eine Dämpfung wie bei Mountainbike-Fullys weisen sie abgesehen vom breiten Stollenreifen nicht auf.

Vergleichsweise günstiger Sport

Es gibt auch noch größere Einräder, mit 26-, 29-Zoll-Bereifung oder mit noch größeren Dimensionen. Größere Reifen sind ob der besseren Traktion von Vorteil, doch bei den jungen Frauen setzt die Körpergröße das Limit: "Wir müssen gut zu den Pedalen gelangen, das ist die Grundvoraussetzung." Ein auf Downhill ausgerichtetes Einrad koste zwischen 300 und 500 Euro, erklären die Sportlerinnen. In der Anschaffung und – mangels Federung – auch in der Wartung ist dies, verglichen mit Mountainbiken, ein günstiger Sport.

Obwohl es für den unbedarften Beobachter nicht so aussieht, sei Einrad-Downhill ungefährlich, sagen die beiden Evas: "Es passiert sehr wenig." Außer Verstauchungen, Abschürfungen oder Prellungen seien bisher keine Verletzungen zu verzeichnen gewesen. Beim Sport tragen die beiden Halbschalenhelme, Handschuhe und spezielle Protektoren für die Beine. Fürs Einradfahren gibt es Knie- und Schienbeinschoner, die auch an der Hinterseite die Waden schützen. "Das Abrutschen von den Pedalen ist eine Hauptursache für Verletzungen", erklären sie.

Mit dem Einrad Berge hochfahren

Fürs Einrad-Downhill sind steile Strecken ideal. Auf flowigen Mountainbikestrecken ist es auf nur einem Rad ungleich schwieriger, in eben diesen Flow zu kommen, sagen die Sportlerinnen: "Jeder Gegenanstieg nimmt die Geschwindigkeit heraus." Doch die beiden fahren nicht nur bergab, sondern mitunter auch bergauf. Sogar bis auf die Innsbrucker Seegrube. Für solche Zwecke gibt es sogar eigene Einräder mit Übersetzung.

Im alltäglichen Stadtverkehr setzen Eva und Eva jedoch meist auf Zweiräder. "Weil man damit deutlich schneller ist", lautet die einfache Erklärung. Zudem ist die Rolle von Einrädern im Straßenverkehr gesetzlich nur sehr unzureichend definiert. Sie gelten nicht als Fahrräder oder Beförderungsmittel, sondern sind vielmehr Fußgängern gleichgestellt. Ob und wann sie als "fahrzeugähnliche Spielzeuge" eingestuft werden, ist auch nicht ganz klar. Sie dürfen wohl auf Gehsteigen benutzt werden, solange man andere damit nicht gefährdet, schreibt etwa der Extrem-Einrad-Fahrer David Weichenberger auf seiner Homepage.

Der mehrfache Weltmeister und Extrem-Einradfahrer David Weichenberger fährt den Arzler-Alm-Trail in Innsbruck – im Sonntagsanzug.
David Weichenberger

Die Innsbruckerinnen berichten von skurrilen Begegnungen mit der Exekutive, die sich ebenfalls nicht immer sicher ist, wie man Einräder einstufen soll: "Wir hatten schon Polizisten, die uns stoppten und dann untereinander diskutierten, ob wir auf die Straße oder den Gehsteig gehören." Strafe gab es bisher jedenfalls keine.

So alt wie das Fahrrad selbst

Historisch sind Einräder fast so alt wie das Fahrrad selbst. Gut 50 Jahre nach der Draisine wurden um 1870 die ersten Monocycles patentiert, bei denen man noch in einem riesigen Rad saß. Sie setzten sich wegen ihrer schieren Größe und der schlechten Bremsbarkeit nicht durch und wurden alsbald von Einrädern, ähnlich den heutigen Modellen, abgelöst. Das Patent eines Italieners namens Scuri von 1881– noch mit Lenker und gefedertem Sitz – gilt als erstes belegbares und dem heutigen Einrad sehr ähnliches Beispiel. Der Erfinder selbst fuhr damit die Strecke von Mailand nach Turin.

Während Einrad-Downhill in Österreich ein sportliches Nischendasein fristet, erfreut es sich etwa in Deutschland und Italien vergleichsweise größerer Bekanntheit. In Japan ist Einradfahren sogar ein Schulfach. "Man trifft bei uns nur sehr selten andere Einradrahrer", berichten die Evas. Sie selbst fühlen sich der Mountainbike-Szene zugehörig und von dieser auch respektiert: "Wenn wir am Trail Biker treffen, bleiben die meistens stehen und wollen zusehen, wie wir das machen. Die glauben das oft nicht." Umgekehrt staunen die Sportlerinnen übrigens nicht weniger: "Auf einem Fahrrad würden wir das nie machen." (Steffen Arora, 26.6.2018)