Will man die durchschnittliche globale Klimaerwärmung bis zum Ende des Jahrhunderts auf 1,5 Grad Celsius begrenzen, ist es mit "Grünem Strom" allein nicht getan.

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Wien – Am 12. Dezember 2015 einigten sich die 196 Mitgliedsstaaten der Klimarahmenkonvention der Vereinten Nationen in Paris darauf, die durchschnittliche globale Klimaerwärmung bis zum Ende des Jahrhunderts auf 1,5 Grad Celsius, in jedem Fall aber auf unter 2 Grad Celsius zu begrenzen. Der einzige Staat weltweit, der sich von diesem Vorhaben mittlerweile wieder distanziert hat, sind die USA, die Mitte 2017 angekündigt haben, aus dem Vertrag wieder auszutreten.

Mit welchen Maßnahmen die Temperaturbegrenzung einzuhalten wäre, ist freilich unklar. Nach gegenwärtigen Abschätzungen beträgt das verbleibende Emissions-Budget für das 1,5-Grad-Celsius-Ziel möglicherweise lediglich 200 Gigatonnen CO2, was in krassem Gegensatz zu den 4.000 Gigatonnen CO2 steht, die bei einer Fortsetzung der aktuellen Trends ausgestoßen würden. Dennoch lag der Fokus bisher vor allem auf dem Ausbau gleichsam "sauberer" Stromerzeugung. Energie, die nicht auf fossilen Brennstoffen basiert, dürfte allerdings nicht ausreichen, um die Ziele des Pariser Klimaabkommens zu erreichen: Ein internationales Forschungsteam hat nun nachgewiesen, dass auch der fossile Energiebedarf in der Industrie, dem Verkehr oder im Bereich der Gebäude dafür massiv zurückgehen müsste.

Problematische "Rest-Emissionen"

Die Forscher untersuchten verschiedene Dekarbonisierungspfade zu den Pariser Klimazielen – mit ernüchternden Ergebnissen, wie sie im Fachblatt "Nature Climate Change" schreiben: "Wir haben errechnet, dass selbst bei enormen Anstrengungen aller Länder, einschließlich einer frühzeitigen und substanziellen Stärkung der beabsichtigten nationalen Beiträge, im Fachjargon NDCs oder nationally determined contributions genannt, die verbleibenden fossilen Kohlenstoffemissionen bei etwa 1000 Gigatonnen CO2 verbleiben werden", erklärt Gunnar Luderer vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK), Hauptautor der Studie.

Das aktuelle Ausmaß der Emissionen aus diesen Sektoren könnte damit laut den Analysen das vereinbarte Ziel in weite Ferne rücken, selbst wenn sonst eine strenge Klimapolitik umgesetzt und Strom nahezu vollständig aus erneuerbaren Quellen erzeugt wird. Konzentriert haben sich die Wissenschafter – darunter auch Forscher des Internationalen Instituts für Angewandte Systemanalyse (IIASA) in Laxenburg bei Wien – auf sogenannte "Rest-Emissionen", wie den CO2-Ausstoß aus Bereichen wie der Schwerindustrie, dem gesamten Transportsektor sowie beim Heizen und Kühlen von Gebäuden.

Schwierige Suche nach Alternativen

"Diese Sektoren sind viel schwieriger CO2-frei zu bekommen als unsere Energieversorgung, da es hier keine so offensichtlichen Alternativen wie die Erzeugung von Wind- und Solarstrom gibt", so Shinichiro Fujimori vom Nationalen Institutes für Umweltstudien (NIES) und der Universität Kyoto (Japan). Die Gesamtmenge an CO2, das noch ausgestoßen werden kann, ohne dass die Klimaziele unhaltbar werden, sei ohnehin bereits relativ klein, so die Schätzungen. Dazu komme, das "ein Großteil der Rest-Emissionen aufgrund der vorhandenen Infrastrukturen und der Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen bereits fest im System drinnen ist", sagte PIK-Forscher Gunnar Luderer.

Die neue Analyse zeige umso mehr, dass es zur Stabilisierung der Erwärmung abseits einer raschen und vollständigen Dekarbonisierung der Energieversorgung auch eine deutliche Reduktion des Energiebedarfs und eine Elektrifizierung in den untersuchten Bereichen brauche. Ist das nicht der Fall, steige die Abhängigkeit von nicht zuletzt aufgrund von Umweltbedenken kontrovers diskutierten und großteils noch wenig entwickelten Technologien zur Entfernung von Kohlendioxid aus der Atmosphäre, rechnen die Wissenschafter vor. (red, APA, 27.6.2018)