ORF-Mitarbeiter sollen Politik "auch privat" auf Twitter nicht kritisieren
ORF-General: Auf "Wertung, Sympathie, Antipathie, Polemik verzichten" – Betriebsratschef ortet "Kniefall" vor ÖVP und FPÖ
Harald Fidler
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Wien – Alexander Wrabetz hat seinen Norbert Steger gelernt. Montagnachmittag im Finanzausschuss des Stiftungsrats klang Wrabetz schon ganz nach dem neuen blauen Vorsitzenden des obersten ORF-Gremiums.
Genauer versprach Wrabetz in den ORF-Nachrichten zwischen (Korrespondenten-)Bericht, Analyse und Kommentierung zu unterscheiden – eine häufige Forderung Stegers. Und der ORF-General kündigte nun aber wirklich Social-Media-Regeln für ORF-Mitarbeiter an. Die fordern Steger und vor allem der Fraktionssprecher der ÖVP-nahen Stiftungsräte, Thomas Zach, seit Jahren. ORF-General Wrabetz trifft Steger und Zach, Vorsitzender des Finanzauschusses, seit Monaten regelmäßig zum Mittagessen.
Die Stiftungsräte bekamen die neuen Social-Media-Regeln am Montag noch nicht zu sehen. Donnerstag im Plenum erwarteten sie Wrabetz’ Entwurf. Über den Text sind noch Gespräche mit Betriebsrat und Redakteursrat vorgesehen.
Dem STANDARD liegt ein Entwurf vor. Offenbar irrtümlich wurde das Dokument an einen Teil der Radiomitarbeiter versandt. Die Dateiinfos weisen einen Mitarbeiter im Büro des ORF-Generaldirektors als Autor aus, erstellt wurde es Ende voriger Woche.
"Auch im privaten Umfeld"
Diese "ORF-Social-Media-Leitlinien" seien "als Dienstanweisung von allen journalistischen und programmgestaltenden Mitarbeiter/innen des ORF zu befolgen", heißt es in dem Schreiben. Es verlangt etwa "auch im privaten Umfeld" auf Social Media den Verzicht auf "öffentliche Äußerungen und Kommentare in sozialen Medien, die als Zustimmung, Ablehnung oder Wertung von Äußerungen, Sympathie, Antipathie, Kritik und 'Polemik‘ gegenüber politischen Institutionen, deren Vertreter/innen oder Mitgliedern zu interpretieren sind".
ORF-Mitarbeitern untersagt die "Dienstanweisung" auch öffentliche Äußerungen, "die eine voreingenommene, einseitige oder parteiische Haltung zum Ausdruck bringen, die Unterstützung derartiger Aussagen und Initiativen Dritter sowie die Teilnahme an derartigen Gruppen, sofern damit die Objektivität, Unparteilichkeit und Unabhängigkeit des ORF konterkariert würde".
"Betriebsrat und Redakteursrat erläutern"
Der ORF dazu auf Anfrage: "Die angekündigten Social-Media-Guidelines des ORF liegen nun im Entwurf vor und orientieren sich an internationalen Vorbildern wie etwa jenen der 'New York Times'. Im Mittelpunkt steht die Absicherung der Unabhängigkeit, Unparteilichkeit, Objektivität und Äquidistanz des ORF."
Die Richtlinien waren laut ORF "sinngemäß auch schon im Umfeld der letzten Wahlen in Geltung" und sollen nun "im Sommer in Kraft treten. Zuvor wird es noch ein Gespräch mit dem Redakteursrat und dem Zentralbetriebsrat geben, um die Intention und Interpretation der Guidelines zu erläutern."
"Kniefall" vor ÖVP und FPÖ
Gerhard Moser, Zentralbetriebsratschef des ORF, erklärt dazu: "Erlässe dieser Art sind gegenstandslos, solange sie nicht mit dem Zentralbetriebsrat, der Belegschaftsvertretung, besprochen und verhandelt werden. Was hier vorliegt, scheint, wie ich etlichen Stimmen aus dem Haus entnehmen kann, ein Kniefall des amtierenden Generaldirektors vor den schwarz-blauen Wünschen und Diktaten gegenüber ORF-Journalisten zu sein."
Gudrun Stindl, Betriebsrätin des ORF-Radios, sagt: "Ich gehe davon aus, dass diese Richtlinien noch überarbeitet werden."
Wrabetz' per Mail versandte Anweisung im Wortlaut:
Channel-Manager im Programmausschuss
Mittwoch sollen die nach dem Regierungswechsel neu von Wrabetz installierten Channel-Manager Lisa Totzauer und Alexander Hofer dem Programmausschuss ihre Pläne für ORF 1 und ORF 2 referieren. Am Donnerstag soll der Stiftungsrat den Jahresabschluss 2017 (mit tiefschwarzen Zahlen) abnicken, Thema auch: mehr Autonomie und Produktionen der Landesstudios. Regionalisierung könnte – neben mehr Möglichkeiten online und einem Vorstand für den ORF statt des Alleingeschäftsführers – Thema einer ORF-Novelle im Herbst sein. "Nichts dran", heißt es dazu im Kanzleramt. (fid, 26.6.2018)
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