Wien – Wahrscheinlich ist Simon (Nick Robinson) der sympathischste Teenager an der Highschool. Immer ein Sonnenschein, immer gut gelaunt. Schon in der Früh, wenn er auf dem Weg zur Schule mit seinem Wagen seine Softdrink-Clique aufklaubt, hat er Verständnis für die kleinen großen Sorgen der anderen. Schöne Augen, hübscher Scheitel und nette Langzeitfreundin, selbstverständlich ohne Sex, runden das ansehnliche Gesamtergebnis ab.

Wem die Schulstunde schlägt: Simons (2. v. li.) Clique auf dem Weg zum Erwachsenwerden.
Foto: Twentieth Century Fox

Dass Simon in der Folge ausgerechnet seine Beliebtheit zum Verhängnis werden wird, liegt auch daran: Weil er nämlich immer alles richtig macht, hat er eine Rolle zu verteidigen. Und wird, weil er sein Schwulsein zu verbergen versucht, für Erpressungen anfällig. Da geht es dann natürlich nicht um Geld oder Hausaufgaben, sondern um Gefälligkeiten. Zum Beispiel darum, trotz schlechten Gewissens seine Nettigkeit auszuspielen und die Freunde beziehungstechnisch zu manipulieren.

Love, Simon ist eine überraschend gelungene Mischung aus Highschoolfilm, Coming-out-Geschichte und romantischer Komödie, die ihre einzelnen Zutaten scheinbar mühelos zusammenbraut – und wirken lässt. Regisseur Greg Berlanti, der als Produzent und Autor für die Jugendserie Riverdale verantwortlich zeichnet, lässt sich von Beginn an auf keine sozialrealistischen Experimente ein, sondern inszeniert selbst Simons anstehendes Coming-out mit direktem Zug zum Mainstream als beschwingten Befreiungsschlag der Gefühle.

20th Century Fox

Dafür dienen wiederholt fantastische Einschübe wie jene, in der Simon wie in einem Musical in einer bunt-queeren Choreografie durch den eigenen Vorgarten tanzen muss. Oder eine Szene, in der seine Freundinnen und Freunde sich ihren Eltern gegenüber als heterosexuell outen. Da kann das "I'm straight" sogar zum erziehungsberechtigten Nervenzusammenbruch führen. Keine Sorge: Alles nur geträumt.

Auch der unbekannte schwule Schulkollege, dem sich Simon unter einem Pseudonym im Chat öffnet und in den er sich verliebt, bietet Anlass für reichlich Spekulation – und noch mehr Fantasie. Wer wie dieser für Jon Snow aus Games of Thrones schwärmt, muss eben damit rechnen, dass er nicht als Einziger mit entsprechendem T-Shirt auf dem Schulgang posiert. Und mit jeder E-Mail steigt die Anzahl der potenziellen Kandidaten.

Nur keine Bosnigl

Love, Simon verhält sich zur aktuellen Welle an Coming-of-Age-Filmen, in denen das Zurandekommen mit dem Erwachsenwerden täglicher schwerer Entscheidungen bedarf, wie ein harmonisches Potpourri. Schwul sein ist schwer, aber hetero sein ist auch kein Vergnügen – selbst für Simons nerdigen Erpresser, den Berlanti nicht als hintertriebenen Bosnigl, sondern als ebenfalls von Liebesgefühlen Gesteuerten präsentiert. Und Simon nach seinem Coming-out natürlich als noch sympathischer. (Michael Pekler, 27.6.2018)