Sebastian Kurz kann derzeit nichts falsch machen – wenn man seine österreichischen Umfragewerte ansieht. Das Flüchtlingsthema bewegt die Österreicher anscheinend immer noch, und man stimmt ihm zu, wenn er ein ums andere Mal versichert, die Europäische Union müsse ihre Außengrenzen schützen (das Wie des Schützens ist eine andere Frage).
Im Ausland genießt Kurz zum Teil auch Ansehen, aber das beschränkt sich auf die rechtsnational regierten Staaten in der EU. Viktor Orbán lobt ihn in höchsten Tönen, die anderen sogenannten Visegrád-Staaten (Polen, Tschechien, Slowakei) sehen in ihm einen Verbündeten in Sachen Flüchtlinge. Noch viel mehr gilt das für die extrem rechte Lega in Italien, die die italienische Regierung dominiert, und selbstverständlich für die bayrische CSU, die aus Furcht vor einem Erstarken der AfD komplett nach rechts gerückt ist und einen Sturz von Angela Merkel billigend in Kauf nehmen würde, wenn sie ihn nicht sogar herbeiführt.
Die Frage ist, ob der österreichische Kanzler in dieses Selbstmordattentat der CSU hineingehört.
Kurz kann bestens mit dem neuen bayrischen Ministerpräsidenten Markus Söder, der gemeinsam mit Innenminister Horst Seehofer (der da aber eher ein Getriebener ist) den Konfrontationskurs gegenüber Merkel und der CDU fährt. Es gab – eher ungewöhnlich zwischen einer Bundes- und einer Landesregierung – eine gemeinsam zelebrierte Ministerratssitzung in Linz, und Söder will Kurz statt Merkel als Hilfe im bayrischen Wahlkampf.
Das Problem dabei ist, dass der Ganz-nach-rechts-Ruck der CSU vom Wähler offensichtlich nicht honoriert wird. Laut einer neuen Umfrage kommt der CSU der harte Kurs nicht zugute. Die AfD bleibt stark, die absolute Mehrheit ist nicht in Sichtweite, und nicht weniger als zwei Drittel der CSU-Anhänger sind sogar der Meinung, dass es Wichtigeres gebe als die Flüchtlingsfrage.
Brückenbauer
Sebastian Kurz kann das besser, nämlich der extremen Rechten das Wasser abgraben. Er hat der FPÖ das Thema "Flüchtlinge" weggenommen und es einfach netter präsentiert. Aber das bestätigt nur, dass der Wähler den gegen Merkel gerichteten Radikalismus der CSU nicht schätzt. Das heißt aber weiter, dass Kurz da nicht (mehr) mitmachen sollte, es sei denn, er setzt voll auf einen Sturz von Merkel. Wenn er das nicht tut, sollte er sich relativ schnell von den CSU-Spezln absetzen. Tatsächlich verkündete Kurz bereits in der "Krone", er werde sich als – erraten! – "Brückenbauer" zwischen Merkel und der CSU versuchen.
Aus noch etwas sollte sich der Kanzler heraushalten: aus der Umarmung durch EU-Feinde wie Orbán, aber auch Putin. Der Herr über das offizielle russische Medienimperium (Russia Today, Sputnik TV), Dimitri Kisseljow, hat einerseits verlautbart, dass Kurz, Orbán und Trump dabei sind, Merkel und die EU "zu erledigen", und andererseits, dass Kurz' nächstes Meisterstück die Aufhebung der EU-Sanktionen gegen Russland sein könnte.
"Brückenbauer" hin oder her – das sind Verbindungen, da gehört ein österreichischer Kanzler nicht hin. (Hans Rauscher, 26.6.2018)