Sebastian Kurz fährt bisher nicht schlecht mit seiner Strategie, vorhandene Probleme aufzublasen und diese möglichst oft mit der Ausländer- und/oder Asylfrage zu verknüpfen. In allen Umfragen ist und bleibt der Bundeskanzler der beliebteste Politiker Österreichs. Seine türkisen Mitstreiter, die ihm die Posten zu verdanken haben, verhalten sich weitgehend brav und unauffällig und müssen dem Chef bei allen wichtigen Fragen die Bühne überlassen. Der blaue Koalitionspartner ist glücklich, endlich regieren zu dürfen, und hat sich offenbar auch damit abgefunden, die klare Nummer zwei zu sein.

Grenzshow in Spielfeld

Als Dankeschön dafür darf die FPÖ dann bei manchen Ausländerthemen zeigen, dass sie doch eigentlich der Schmied und nicht der Schmiedl ist. So werden Albanienrouten geschlossen, von denen gar niemand wusste, dass sie offen sind. So rücken Innenminister Herbert Kickl und Verteidigungsminister Mario Kunasek zur Grenzshow in Spielfeld aus, um zu zeigen, wie man Massen an Flüchtlingen abwehren würde, von denen aber weit und breit nichts zu sehen ist.

Man gibt vor, Ängste zu nehmen, die man selbst laufend schürt. Es wird PR-Politik gemacht, die die tatsächlichen Probleme oft nur streift. Ein paar Beispiele dafür: Die Regierung kündigt die Zusammenlegung von Krankenkassen und eine Reduktion der Funktionsposten an und spart dadurch ein paar Millionen. Die Milliarden fließen aber in den oft noch immer unakkordierten Bau von Spitälern und Pflegeeinrichtungen. Lösungsansätze dafür gibt es bis heute nicht. Dafür legt man sich gegen das Rauchverbot quer. Also Gesundheitspolitik der Marke 1950er-Jahre.

Dauerbaustellen

Bei der Integration trommelt man laut, dass Kinder mit Deutschdefiziten doch endlich die Sprache lernen sollen, stellt dann aber nicht ausreichend finanzielle und personelle Ressourcen bereit, um den Schulen tatsächlich bessere Angebote zu ermöglichen – und streicht parallel dazu noch das AMS-Budget zusammen. So wird Integration auch in Zukunft nicht besser funktionieren, aber wahrscheinlich ist das auch nicht intendiert.

Bei anderen Dauerbaustellen wird nicht einmal Scheinaktivität vorgetäuscht. Der Ausbau von ganztägigen Schulangeboten geht nur stockend voran. Die Länder lassen Geld liegen, weil das bestehende System offensichtlich nicht funktioniert. Der ÖVP war das noch nie ein vordringliches Anliegen, daran hat sich nichts geändert.

Ähnliches gilt für den Ausbau von Kindergartenplätzen, der jetzt von Lust, Laune und Ideologie der (oft türkis-schwarzen) Bürgermeister abhängt. Dass fehlende Betreuungsplätze im klaren Widerspruch zum Wunsch der Wirtschaft nach flexibleren Arbeitszeiten stehen, ist aber offenbar das Problem der betroffenen Eltern – meist der Mütter.

Auftritte als Zündler

Wieder andere Themen können nur in der Kategorie Chuzpe verbucht werden. Auf europäischer Ebene agiert die angeblich proeuropäische Regierung meist nur als Zündler. Als Antwort auf den Klimawandel schreibt man schöne Überschriften wie den Ausbau des Radverkehrs in die sogenannte Klimastrategie, lässt dann aber vollkommen offen, wie diese Ziele praktisch erreicht werden sollen, und kürzt zum Drüberstreuen noch das Umweltbudget.

Nachhaltigkeit steht nur im Ministeriumsnamen. Der wurde sicher von einer PR-Stabstelle entwickelt. Der öffentliche Schein ist die größte Stärke dieser Regierung. Echte Antworten auf echte Probleme gehören nicht dazu. (Günther Oswald, 26.6.2018)