Im siebenten Bezirk wurden in unmittelbarer Nachbarschaft ...

Foto: Christian Fischer

... gleich zwei alte Häuser abgerissen.

Foto: Christian Fischer

In Wien wurden in den letzten Wochen vielerorts die Baustellenzäune hochgezogen. Am Mariahilfer Gürtel, unweit des Westbahnhofs, etwa: Hier ist ein Teil der Straße seit kurzem abgezäunt, der Gehsteig nicht mehr begehbar. Wenn Autos vorbeibrettern, schüttelt es den Zaun.

Markus Landerer von der Initiative Denkmalschutz steht auf der gegenüberliegenden Straßenseite und schaut den Arbeitern zu, die auf dem Dach herumsteigen. Er und seine Mitstreiter haben ein Auge auf die Wiener Gründerzeithäuser. Wird vor einem ein Bauzaun aufgestellt, dann schrillen die Alarmglocken der rund 500 Mitglieder. Manchmal, so Landerer, werde dann zwar nur die Fassade renoviert. Oft tritt allerdings das ein, was die Denkmalschützer fürchten: Das Haus wird abgerissen. So auch jenes am Mariahilfer Gürtel.

Landerer hat eine ganze Liste an Häusern, denen es in letzter Zeit an den Kragen ging. Denn Anfang Juli – der genaue Termin hängt vom Datum der Kundmachung im Landesgesetzblatt ab – tritt ein neues Gesetz in Kraft, das es für Besitzer von Häusern, die vor 1945 errichtet wurden, schwieriger macht, diese abzureißen. Dann ist eine Bewilligung der Magistratsabteilung 19 (Architektur und Stadtgestaltung) nötig, die überprüft, ob öffentliches Interesse am Erhalt besteht.

Nicht genügend Bagger

Das wollen manche Hausbesitzer vermeiden. Bei mehreren Gründerzeithäusern rückte in den letzten Tagen der Abbruchbagger an. Das Abbruchunternehmen Mayer & Co hat allein in den letzten Tagen sechs Häuser in Wien abgebrochen, erklärt Juniorchef Daniel Mayer beim STANDARD-Lokalaugenschein auf einer Baustelle. "Wir haben auch Anfragen ablehnen müssen."

Nicht weit von Mayers Baustelle decken im siebenten Bezirk auf einem anderen Haus Arbeiter des Unternehmens Prajo's Abbruch & Bau das Dach ab. 25 Baustellen habe sein Unternehmen aktuell in Wien, berichtet Firmenchef Nikola Prajo. Dafür gebe es nicht einmal genügend Bagger: "Bei manchen Baustellen tragen wir händisch ab, Stock für Stock."

Er beklagt allerdings Hürden, die den Abbruchunternehmen in den Weg gelegt wurden, etwa was das Halteverbot vor der Baustelle betrifft: "Wir haben in den letzten Tagen von der MA 46 diesbezüglich viele Absagen bekommen." Dabei handle es sich um eine Order "von ganz oben", erzählt man sich in der Abbruchbranche, um weitere Abrisse zu verhindern. Bestätigen will man das bei der Stadt allerdings nicht. "Ein Abbruch geht eben nicht schwuppdiwupp", heißt es aus dem Büro der Wohnbaustadträtin Kathrin Gaal (SPÖ).

Abbruch trotz Altmietern

Diesen Eindruck könnte man mancherorts aber durchaus bekommen: Anrainer berichten davon, dass quasi über Nacht der Abbruch beginnt. Auch in der Radetzkystraße im dritten Bezirk starteten vor wenigen Tagen die Abbrucharbeiten an einem Eckhaus mit neogotischer Fassade, in dem derzeit sogar noch standhafte Altmieter wohnen. "Man hört ständig das Hämmern", berichtet eine von ihnen. "Bei jedem Stoß glaubt man, die Wohnung bricht ein."

Auch bei der Baupolizei bestätigt man die Entfernung des Dachs und des unbewohnten obersten Stockwerks. Dann soll mit dem Abbruch aber vorerst Schluss sein. "Wir kontrollieren genau, dass das Gebäude für die Bewohner zugänglich bleibt", sagt Gerhard Cech, Leiter der Baupolizei.

Mieterschützer sind angesichts solcher Zustände fassungslos: "Der Fall scheint auch für uns neuartig", sagt Wolfgang Kirnbauer vom Mieterschutzverband. Die Mieter könnten bei der Schlichtungsstelle die Instandsetzung des Daches beantragen.

Baupolizei wird tätig

"Angeblich laufen Verhandlungen zwischen dem Eigentümer und den Mietern", sagt Rudolf Zabrana, Vorsitzender des Bauausschusses in Wien-Landstraße. Ein Neubauprojekt sei vonseiten des Eigentümers – der auf eine STANDARD-Anfrage nicht reagierte – derzeit noch nicht eingereicht.

Daniel Mayer ist an diesem Tag noch von Baustelle zu Baustelle unterwegs. Auch im 22. und im zehnten Bezirk wird abgebrochen, im 13. Bezirk wartet ein Hausbesitzer angespannt auf Rückmeldung. "Wenn ich Zeit habe, dann decke ich ihm noch das Haus ab", sagt Mayer. Denn das, so meinen viele, reiche, damit Anfang Juli keine Abbruchbewilligung der MA 19 benötigt wird.

Im Büro der Wohnbaustadträtin wird aber klargestellt, wie es nach Inkrafttreten der Gesetzesänderung weitergeht: "Wenn sich ein Haus in Abbruch befindet, dann wird ein Baustopp verhängt", sagt die Sprecherin Christiane Daxböck zum STANDARD – und sie kündigt an: "Die Baupolizei wird tätig werden."

Nur noch Schutthaufen

Daher herrschte auf den Baustellen in Wien bis zuletzt emsiges Treiben. "Wir brechen, brechen, brechen", sagt Prajo. Der Abbruch eines Zinshauses könne, je nach den Gegebenheiten, in wenigen Tagen über die Bühne gehen. "Dann liegt das Haus." Ab kommender Woche sollen dann nur noch die Schutthaufen entsorgt werden. "Dann haben die Bauherren keinen Stress mehr."

Was viele Beobachter hoffen, ist für Prajo eine Befürchtung: dass die Abbrüche mit der Gesetzesänderung zurückgehen werden – und er Mitarbeiter entlassen muss.

Ein Bauunternehmer, der anonym bleiben will, findet wiederum, dass die Novelle 50 Jahre zu spät kommt. "Wie viele schöne Häuser in den letzten Jahren abgerissen wurden, das glaubt man ja gar nicht."

Verbote statt Anreize

Daniel Mayer hat aus Abbruchhäusern schon alte Stiegengeländer und sogar einen Eckturm gerettet, den der Besitzer als Erstes zerstört haben wollte, um Diskussionen über die Erhaltung des Hauses zu ersticken. Viele der Häuser in Nebenstraßen seien abseits der öffentlichen Wahrnehmung abgerissen worden, sagt Denkmalschützer Landerer. Bei "halböffentlichen" Gebäuden – etwa dem Gasthaus Sperl im vierten Bezirk – seien mehr Menschen betroffen, weil sie auch das Innere des Gebäudes kennen.

Zwar sollen in wenigen Tagen die alten Häuser geschützt werden. Das Grundproblem bleibt laut Landerer allerdings: "Eigentümern werden nur Verbote und keine Anreize geboten. Wenn der Erhalt im öffentlichen Interesse ist, muss sich die Öffentlichkeit auch beteiligen."

Anreize statt Verbote fordert auch die Fachgruppe der Wiener Immobilientreuhänder in einer Aussendung, etwa durch die Gleichstellung von Neubauten und sanierten Gründerzeithäusern im Mietrecht: "Niemand investiert in ein altes Gebäude, wenn er keine Chance hat, seine Investitionen jemals wiederzusehen." (Franziska Zoidl, 28.6.2018)