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Noch immer wird in Polen gegen die umstrittenen Justizreformen der rechten Regierung protestiert.

Foto: Reuters / Kacper Pempel

Warschau – Die Richter des Obersten Gerichts in Polen und ihre erste Vorsitzende, Malgorzata Gersdorf, wollen der umstrittenen Justizreform der Regierung zum Trotz im Amt bleiben. Das habe die Vollversammlung der 63 Richter am Donnerstag im Einklang mit der polnischen Verfassung entschieden, teilte ein Sprecher des Obersten Gerichts mit.

Ein umstrittenes Gesetz der nationalkonservativen Regierung in Warschau schickt zahlreiche Richter und die Präsidentin nächsten Mittwoch in den vorgezogenen Ruhestand.

Der Sprecher betonte, kein Gesetz stehe über der Verfassung; diese sehe eine sechsjährige Amtszeit für die Gerichtspräsidentin vor. In einer zweiten Resolution kritisierten die Richter das Gesetz als nicht verfassungskonform.

Regierung sieht Unzuständigkeit

Bei der Regierung stießen die Erklärungen auf Unmut. Der stellvertretende Justizminister Lukasz Piebiak sagte, die Amtszeit der Präsidentin werde sehr wohl am 3. Juli enden, "egal welche Resolutionen die Richter beschlossen haben". Die Vollversammlung des Obersten Gerichts sei nicht die zuständige Institution, um über die Verfassungskonformität eines Gesetzes zu entscheiden.

Das Gesetz, das bereits verabschiedet und vom polnischen Präsidenten Andrzej Duda unterzeichnet wurde, zählt zu den umstrittenen Justizreformen, deretwegen die EU-Kommission seit 2016 gegen die Regierung in Warschau vorgeht. Die EU-Kommission kritisiert, die Reformen würden die Unabhängigkeit der Justiz beschneiden und die Gewaltenteilung untergraben. In dem erzwungenen vorzeitigen Ruhestand eines Großteils der Richter sieht Brüssel eine rote Linie überschritten.

Proteste auch nächste Woche

Noch am Dienstag hatte Polen seine Reformen bei einem EU-Treffen in Luxemburg verteidigt. In Warschau und zehn weiteren polnischen Städten hatten tausende Polen mit Protesten gegen die Regierung begonnen. Die Proteste sollen bis nächste Woche Mittwoch weitergehen.

Brüssel hatte im Dezember das bisher beispiellose Strafverfahren gegen Polen eingeleitet, das – zumindest theoretisch – bis zum Entzug von Stimmrechten auf EU-Ebene führen kann. Das Votum darüber muss allerdings einstimmig fallen. Das ebenfalls rechtskonservativ regierte Ungarn hat bereits angekündigt, Sanktionen gegen Warschau nicht mitzutragen. (APA, 28.6.2018)