Bei der Gleitzeit wurde von Arbeitnehmern befürchtet, dass Überstundenzuschläge weg- oder geringer ausfallen als bisher.

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Etwas zu spät kam Sebastian Kurz zur Nationalratssitzung am Freitag.

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Wien – Die Töne waren sanft, doch die Kritik war heftig, die SPÖ-Sozialsprecher Josef Muchitsch in der Sondersitzung des Nationalrats an der Regierung und deren Plänen zur Arbeitszeitflexibilisierung äußerte. Niemand könne es sich leisten vermehrt "Nein" zu Überstunden zu sagen, Betriebsvereinbarungen würden ausgehebelt und zwölf Stunden arbeiten mache krank.

Mitunter ging es heftig zu in der Sondersitzung des Nationalrates.
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Die "Dringliche Anfrage" der SPÖ beantwortete Kanzleramtsminister Gernot Blümel (ÖVP), da Bundeskanzler Sebastian Kurz aufgrund des EU-Gipfels in Brüssel nicht rechtzeitig in Wien sein konnte.

Er stellte klar: Die Grundprinzipien des Achtstundentages und einer 40-Stunden-Woche blieben unangetastet. Blümel unterstrich seine Argumentation mit "Beispielen aus der Realität". Als "selten inkompetent" bezeichnete Ex-Bundeskanzler Christian Kern (SPÖ) dann Blümels Auswahl der Beispiele. "Ärzte und Führungskräfte haben mit dem Arbeitszeitgesetz ohnehin nichts zu tun", so Kern. Auch Blümels Vergleich der Regierungspläne zum Plan A der SPÖ wies Kern entschieden zurück.

Kurz meint, es werde keine 60-Stunden-Woche geben

Kurz stieß am späten Nachmittag zur Diskussionsrunde dazu und betonte in seiner Rede, dass die Reform keine allzu große sei, man daher auch die Menschen nicht verunsichern solle. Auch für Jubelchöre sei kein Anlass, wiederholte er seine Aussagen der vergangenen Tage.

Der Regierungschef glaubt, dass sich viel an Aufregung beruhigen werde, wenn die Regel in Kraft sei und man sehe, dass vieles Behauptete nicht eintrete. So wie es jetzt keine 50-Stunden-Woche gebe, obwohl es diesen Maximalrahmen gebe, werde es dann auch keine 60-Stunden-Woche gebe.

Betont wurde vom Kanzler die Notwendigkeit, sich auch über eine gewisse Flexibilisierung dem globalen Wettbewerb zu stellen. Denn Österreich müsse wettbewerbsfähig bleiben, wenn man den Sozialstaat finanzieren wolle.

"Freiwilligkeitsgarantie"

Im Abänderungsantrag, der am Freitag eingebracht wurde, ist neben der versprochenen Freiwilligkeitsgarantie auch eine Präzisierung zur Gleitzeit enthalten. Konkret haben die für den Entwurf verantwortlichen Parlamentarier Wolfgang Klinger (FPÖ) und Peter Haubner (ÖVP) in ihrem Antrag festgehalten, dass es Arbeitnehmern freisteht, die elfte und zwölfte Stunde am Tag "ohne Angabe von Gründen abzulehnen".

Im ursprünglichen Entwurf hatte es dagegen noch geheißen, dass die Arbeitnehmer Überstunden aus "überwiegend persönlichen Interessen" ablehnen dürften. Weiterhin soll es zu keiner Benachteiligung bei Bezahlung, Aufstiegsmöglichkeiten oder Versetzung kommen, wenn ein Mitarbeiter keine Mehrarbeit leisten will.

Gleitzeit angepasst

Nachgebessert wird auch bei der Gleitzeit. Hier wurde von Arbeitnehmern befürchtet, dass Überstundenzuschläge weg- oder geringer ausfallen. Nun sichern die Abgeordneten zu, dass bestehende Gleitzeitvereinbarungen – sei es per Kollektivvertrag, sei es per Betriebsvereinbarung – aufrecht bleiben. Darin enthaltene aus Sicht der Arbeitnehmer günstigere Bestimmungen bleiben somit "unberührt", heißt es im Entwurf.

Das Problem: Gleitzeitvereinbarungen gelten nur ein Jahr. Am möglicherweise größten Knackpunkt hat sich aber nichts geändert: Derzeit kann die Ausweitung der Höchstarbeitszeit nur mit einer Betriebsvereinbarung erreicht werden. Damit haben die Arbeitnehmervertreter mehr Verhandlungsmacht und können leichter Gegenforderungen durchsetzen – beispielsweise höhere Überstundenzuschläge.

Der Abänderungsantrag der Koalition sei ein reiner Papiertiger, findet AK-Direktor Christoph Klein. Wenn Arbeitnehmer nicht mehr automatisch durch die Zehn-Stunden-Grenze geschützt werden, sondern Überstunden gegenüber dem Chef aktiv ablehnen müssen, entstehe enormer Druck. (Andreas Danzer, Andreas Schnauder, 29.6.2018)