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Afrikanische Migranten in einem Flüchtlingszentrum im Süden Spaniens, das vorübergehend eingerichtet wurde. Geht es nach den neuen Vorschläge vom EU-Gipfel würden sie nicht mehr im EU-Inland, sondern in Nordafrika auf eine Entscheidung warten. Ob sie dort um EU-Asyl ansuchen könnten oder nicht, ist unsicher.

Foto: AP / Emilio Morenatti

Wien – Seit fast zwei Jahrzehnten versucht die EU, ein einheitliches Asylsystem zu etablieren, seit fast zwei Jahrzehnten streiten die EU-Länder vor allem über die Verteilung von Flüchtlingen in der Union. Seit Anfang 2016 gibt es sogenannte Hotspots innerhalb der Gemeinschaft, etwa in Griechenland, von wo aus anerkannte Flüchtlinge dann in die EU-Länder verteilt werden sollen. Wirklich funktioniert hat das nicht. Länder wie Ungarn weigern sich, Flüchtlinge aufzunehmen, das Maß wäre schon voll. Ein neuer Vorstoß geht nun einen Schritt weiter: das Ganze auch auf EU-Außenterritorien zu erweitern.

Als "Anlandezentren" oder "Ausschiffungszentren" wurden die (im Original) "regional disembarkation platforms" übersetzt, auf die sich die EU-Mitgliedsländer beim Gipfel in Brüssel in ihrer Abschlusserklärung vom Freitag einigen konnten. Dahinter steckt die Idee, Zentren in Nordafrika zu errichten, wo Migranten gesammelt werden, die in der EU einen Asylantrag stellen wollen. Ob dem die Länder Nordafrikas überhaupt zustimmen, ist nicht geklärt.

Dürfen kein "Pull-Faktor" sein

Auch was genau auf diesen Plattformen passieren soll, bleibt vage. Die Idee ist, Bootsflüchtlinge, die vor der Küste Nordafrikas gerettet werden, in so ein Zentrum und nicht auf europäisches Festland zu bringen. Die Zentren sollen unter Aufsicht von Uno-Flüchtlingshochkommissariat UNHCR und Internationaler Organisation für Migration (IOM) stehen und wohl mit EU-Geldern finanziert werden. Die Plattformen müssen die individuelle Situation von Asylsuchenden berücksichtigen, internationalem Recht entsprechen, und dürfen nicht als "Pull-Faktor" für Migranten wirken, so Punkt fünf der Erklärung. Heißt auf Deutsch: Die Plattformen sollen keinesfalls ihrerseits Migranten anlocken.

Die österreichische Regierung legt das mit dem Pull-Faktor so aus, dass "aus unserer Sicht dort keine Asylanträge gestellt werden sollten", so Regierungssprecher Peter Launsky-Tieffenthal zum "Profil". Die Frage ist dann aber: Wo sollen die Menschen ihren Asylantrag stellen? Ist damit nicht das gesamte europäische Asylrecht ausgehebelt?

Welche gemeinsame Asylpolitik?

Menschenrechtsanwalt Manfred Nowak sagt zum STANDARD, er halte die Zentren einerseits dann für rechtlich vertretbar, wenn dort Asylanträge gestellt werden könnten. Das bräuchte natürlich die Zustimmung der jeweiligen Länder. Mit Blick auf Libyen oder Marokko ist das schwer vorstellbar. Falls diese aber zustimmen, dann müsste dort jeder Anwerber eine faire Chance auf Asyl haben und d Verfahren relativ rasch abgewickelt werden, so Nowak.

Andererseits: Die Variante, die die österreichische Regierung fordert – Sortierung in einem Schnellverfahren und nur jene legal in die EU einreisen zu lassen, die nach UNHCR- und IOM-Einschätzung Chance auf Asyl in Europa haben -, sei ebenfalls denkbar. Dann müsste aber im Schnellstverfahren entschieden werden. Höchstens zwei Wochen darf das dauern, dann sehe er eine Verhältnismäßigkeit gegeben. Immerhin könnten so Menschen von den lebensgefährlichen Überfahrten abgehalten werden.

Bleibt das Problem, nach welchen Kriterien entschieden wird. Denn genau darüber, über ein einheitliches Asylrecht, sind sich die EU-Länder ja nicht einig. Und darin sieht Nowak die Chance in dem Vorstoß: Obwohl er in dem Plan eine Verschärfung der Asylpolitik sieht, gehe er zumindest in eine richtige Richtung, nämlich weg vom Dublin-System. Vielleicht werde der Druck auf die EU-Länder groß genug, gemeinsame Verfahren und eine Asylbehörde zu schaffen. (Anna Sawerthal, 2.7.2018)