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Der Kurs von Italiens Innenminister Matteo Salvini schreckt die italienische Wirtschaft, die "nicht nur über Migranten reden" will.

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Italiens Wirtschaftskapitäne üben scharfe Kritik an der Politik der neuen Regierung in Rom. Der Präsident des Industriellenverbandes Confindustria, Vincenzo Boccia, forderte Rom auf, "nicht nur über Migranten und Pensionen zu reden". Das seien zwar wichtige, aber nicht die wichtigsten Probleme, die das Land habe. Eine kohärente Wirtschaftspolitik, die sich mit der Beschäftigung der jungen Generation und dem Thema Arbeit befasse, habe ebenso Vorrang wie der Schuldenabbau.

Der Unternehmerverband hat erst vor kurzem seine Wachstumsprognose von 1,5 Prozent auf nur 1,3 Prozent gesenkt. Im kommenden Jahr soll diese nur noch 1,1 Prozent statt der vorgesehenen 1,2 Prozent erreichen.

"Niedergang des Landes"

Zudem werde das Beschäftigungswachstum fast zum Erliegen kommen. "Wir können nicht weitermachen wie bisher. Auf die Mehrwertsteuererhöhung verzichten und die geplanten Maßnahmen über ein höheres Defizit finanzieren", kritisierte der Chef des Unternehmerverbands. Es drohe nicht weniger als "der Niedergang des Landes".

Nicht nur aus Sicht der Confindustria müssen 2018 gegenüber ursprünglichen Plänen neun Milliarden Euro und kommendes Jahr sogar elf Milliarden Euro eingespart werden, damit Italien die EU-Vorgaben einhalten kann. Der Verband erwartet mit 1,9 Prozent in diesem und 1,4 Prozent 2019 höhere Haushaltsfehlbeträge als von der neuen Regierung (1,6 beziehungsweise 1,4 Prozent) veranschlagt. Die Vorgängerregierung hatte 1,4 beziehungsweise 0,8 Prozent angepeilt.

Doch die geplanten Maßnahmen der Regierung würden den Haushaltsfehlbetrag und die Verschuldung von 131,8 Prozent schnell weiter nach oben treiben. Confindustria fordert eine schnelle Umsetzung der Banken- und Kapitalmarktunion, ein über Eurobonds finanziertes europäisches Investitionsprogramm und einen Eurofinanzminister. Forderungen, die bei der Regierung nicht ankommen.

Würde-Gesetz

Zu Wochenbeginn will die Regierung ihr erstes Gesetz, das "Dekret der Würde" erlassen: Vorgesehen sind verschärfte Regelungen für befristete Arbeitsverträge, die damit teurer würden. "Befristete Arbeitsverträge sollen von Unternehmen nur für beschränkte Zeiträume verwendet werden", sagte der italienische Arbeitsminister und Fünf-Sterne-Chef Luigi Di Maio.

Weiters auf dem Weg zur Gesetzeswerdung: Strafen im Falle von Produktionsverlagerungen ins Ausland sowie ein Werbeverbot für Spielautomaten. Der Jahresumsatz der Glücksspielbranche betrage in Italien 20 Milliarden Euro, "davon profitieren multinationale Konzerne mit Sitz im Ausland. Glücksspiele sind ein Unheil für ein ganzes Volk", kommentierte das Fünf-Sterne-Parlamentarier Vito Crimi.

Steuerermäßigungen wurden vorerst verschoben, da die Ausgaben keine finanzielle Deckung finden.

Unterdessen warnte die Europäische Zentralbank vor der geplanten Rückgängigmachung der Rentenreform. Diese würde schon 2019 Mehrkosten von fünf Mrd. Euro verursachen und könne das gesamte System destabilisieren. IWF-Ökonom Carlo Cotarelli erklärte jüngst, Italiens Staatsverschuldung wäre ohne die Maßnahmen der Regierung Mario Monti 2012 (Rentenreform, Ausgabenkürzungen) schon auf 145 Prozent der Wirtschaftsleistung angestiegen. (Thesy Kness-Bastaroli, 2.7.2018)