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Bleibt: Joachim Löw.

Foto: REUTERS/Ralph Orlowski

Joachim Löw, den in den guten Zeiten alle gerne auch "Jogi" genannt haben, macht sich nun auf einen gefährlichen Weg. Er wird seinen schon vor der WM abgeschlossenen Vertrag bis 2022, bis zur kurios-umstrittenen Winter-Weltmeisterschaft in Katar, erfüllen.

Schon vorm Wochenende war bei einer Telefonkonferenz das Verbandspräsidium seinem Chef, Reinhard Grindel, gefolgt und sprach dem Bundestrainer einhellig das Vertrauen aus. Ihm, seinem Sportdirektor Oliver Bierhoff und beider seit 2006 ins fast Sakrosankte gewachsene Renommee.

Am Dienstag beriet man sich mit dem Verband. Löw, sagt Löw, spürte allgemein "trotz der berechtigten Kritik an unserem Ausscheiden auch generell viel Rückhalt und Zuspruch". Es sei weiterhin eine riesige Enttäuschung da, klar. "Aber ich möchte nun auch mit ganzem Einsatz den Neuaufbau gestalten."

Volle Energie

Löw bleibt also. "Ich werde gemeinsam mit meinem Team analysieren, Gespräche führen und zum Start der neuen Saison die richtigen Schlüsse ziehen. Das alles braucht Zeit, wird aber alles rechtzeitig bis zum Start in die neue Länderspielsaison im September geschehen."

Oliver Bierhoff "freut es sehr, dass es mit Jogi Löw weitergeht. Wir haben gestern lange zusammengesessen, und ich habe bei ihm die volle Energie gespürt weiterzumachen. Nach 14 Jahren erfolgreicher Arbeit müssen wir nun einen Neuaufbau starten und werden uns jetzt konkret Gedanken darüber sowie über weiterführende strukturelle Veränderungen machen".

Der Einwand, dass die beiden also jetzt zu tun beabsichtigen, was vor Russland längst hätte getan werden müssen, kam von anderer Seite via Frankfurter Allgemeine. Die berichtete von Whistleblowern "aus Spielerkreisen" und von "erfahrenen Kennern der sportlichen und organisatorischen Verhältnisse im DFB". Und diese erzählten der Zeitung, was für jeden ohnehin mit freiem Auge zu sehen gewesen ist: von der Spaltung der Mannschaft und der Sorglosigkeit des Trainerstabes, der mit geradezu austriakischer Zuversicht meinte, es werde irgendwie gehen. Ging aber nicht, wie man gegen Mexiko, Schweden und Südkorea sehen konnte.

Aus dem Ruder

Dass Löw Kapitän Manuel Neuer nach dessen Verletzung einen Sonderstatus einräumte, soll "für einige Spieler" ein Problem gewesen sein. Löw habe damit "dem Leistungsgedanken und der Leistungsgerechtigkeit geschadet".

Ältere seien bevorzugt, so manche Junge wie Leroy Sané von Manchester City wurden gar nicht mitgenommen. Löw erklärt damals: "Leroy ist vielleicht in den Spielen der Nationalmannschaft noch nicht so ganz angekommen." Kolportiert wurde, dass er mit Leroy nicht ausgekommen sei.

Dass Joachim Löw die Angelegenheit ziemlich aus dem Ruder gelaufen ist – in der aktiven Form: Er hat die Zügel schleifen lassen -, war in jedem der drei Gruppenspiele zu sehen. Der Weltmeister, der sich stets als "die Mannschaft" dargestellt hat, war keine. Und das ist natürlich schon eine Trainersache.

Taktische Unsicherheiten

Ebenso die mit Hände zu greifende Unsicherheit, dieses Nichtteam, aus dem früher taktische Finessen wie von selbst gesprießt sind, taktisch auszurichten. Im Vorfeld sprach Löw – und alle anderen – selbstgewiss von der herzustellenden Dominanz, mithilfe derer man sich die Gegner "herrichten" könne wie einen Gabelbissen. Nach dem 2:1 gegen Schweden meinte er noch: "Das war ein Sieg der Moral." In Wahrheit war es das Korn, das halt auch einmal jenes blinde Huhn finden mag, als welches Deutschland heuer zur WM geflogen ist.

Der Spiegel Online betitelte einen Schnellkommentar zu Löws Verbleib "Der Aussitzer". Aber als solcher ist er im Deutschland dieser Tage ja eh in bester Gesellschaft. (sid, wei, 3.7.2018)