Es sind irritierende Sätze, die Polens Premier Matteusz Morawiecki den Abgeordneten im EU-Parlament zurief: Jedes Land müsse "das Recht gemäß seinen Traditionen gestalten dürfen". Als sei EU-Recht variabel. Oder: "Europa erlebt gerade ein demokratisches Erwachen."

Das sagt ein Nationalkonservativer, der in den 1980ern als Teenager der Solidarnosc beigetreten war und Geschichte und Wirtschaft studiert hat. Seine Regierung steht bei den EU-Institutionen wie bei (fast) allen EU-Regierungen im Verdacht, die EU-Grundrechtscharta und das Prinzip der Rechtsstaatlichkeit zu verletzen – die Säulen der Union. Beim Europäischen Gerichtshof laufen Klagen wegen nationaler Richterabberufungen. Morawiecki sagte dazu seltsame Sätze: "Polen ist ein stolzes Land, bitte erteilen Sie uns keine Lehren." Und: "Wir versuchen, das Joch des Kommunismus abzuwerfen."

27 Jahre nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion und vierzehn Jahre nach dem EU-Beitritt seines Landes klingt diese "Brüssel ist wie Moskau"-Devise geradezu verrückt. Aber es ist Realität in Polen, wo eine Mischung aus autoritärem politischem Denken und streng katholischem Glauben regiert und das tolerante "andere Polen" zerstören will. Mit Juristerei und gutem Zureden allein ist dem nicht beizukommen. Es sind "Kommunistenfresser" am Ruder, die (noch) nicht im 21. Jahrhundert angekommen sind. Die EU wird sich mehr einfallen lassen müssen, als zu klagen. (Thomas Mayer, 4.7.2018)