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Feminismus hat mit Männern kein Problem, allerdings mit einigen Männlichkeitskonzepten.

Foto: AP Photo/Gautam Singh

Ich werde ja gelegentlich verwechselt. Genauer gesagt ziemlich häufig, und die Anlässe dafür liefere ich oftmals auch noch selbst. Als Mitarbeiter einer feministischen Nichtregierungsorganisation und Journalist mit Vorliebe für feministische Schwerpunkte komme ich ein ums andere Mal in die Verlegenheit, für einen männerhassenden Geschlechtsverräter gehalten zu werden. Mindestens aber für jemanden, der durch seine feministische Agenda derart verblendet ist, dass er nicht in der Lage zu sein scheint, auch die Probleme von Männern zu sehen und zu adressieren. Ob in persönlichen Gesprächen, bei Rückfragen zu Vorträgen oder hier im Forum.

Immer wieder werde ich mehr oder weniger nachdrücklich darauf aufmerksam gemacht, dass Jungen die eigentlichen Bildungsverlierer seien und männliche Privilegien überhaupt nicht existierten. Stattdessen müssten sich Männer pauschal vorwerfen lassen, Täter zu sein, obwohl sie doch eigentlich Opfer sind. Schließlich sterben Männer früher, werden häufiger als Frauen Opfer von Gewalt und bekommen seltener das Sorgerecht zugesprochen. In vielen Ländern sind Männer qua Geschlecht zum Kriegsdienst verpflichtet, sie begehen häufiger Selbstmord und haben deutlich mehr Arbeitsunfälle als Frauen.

Ein paar Gegenfragen

Ob ich das denn nicht wisse, fragt man mich. Und ob ich nicht auch fände, dass der Feminismus irgendwie daran schuld sei. Tatsächlich weiß ich das sehr genau und halte Feminismus für eine adäquate Gegenmaßnahme zu diesen Verwerfungen. Das ist einer der Gründe, warum mich feministische Positionen oftmals überzeugen. Deswegen mag ich es, verwechselt zu werden. Es bietet Anlass, über diese merkwürdige Vorstellung ins Gespräch zu kommen, weite Teile des Feminismus seien männerfeindlich. Und es gibt mir die Gelegenheit, die Fragesteller meinerseits mit ein paar Gegenfragen zu konfrontieren. Mich interessiert zum Beispiel, ob die Betreffenden wissen, durch wen Männer Gewalt hauptsächlich erfahren. Wie genau das mit den Suiziden ist. Weshalb Männer in Sorgerechtsstreitigkeiten oft den Kürzeren ziehen. Oder warum ausgerechnet der Feminismus dafür verantwortlich sein soll, dass Männer zur Armee müssen.

Die Antworten auf diese Fragen müssten eigentlich genügen, um aus Männern Feministen zu machen: Männer erfahren Gewalt vorrangig durch andere Männer. Zum besseren Verständnis männlicher Suizide ist das Konzept "male depression" sehr hilfreich.

Kein Problem mit Männern

Es besagt, dass Männer dazu neigen, ihre Depression durch Gewalt zu kompensieren und durch Drogen zu überdecken. Und sich eben keine Hilfe zu suchen, weil Indianer nun einmal keinen Schmerz kennen. Mann geht mit psychischen Problemen nicht zum Arzt. Frauen werden doppelt so häufig wie Männer mit Depression diagnostiziert, aber je schwerer der Verlauf, umso mehr gleichen sich die Zahlen an. Männer begehen zwar häufiger Selbstmord als Frauen, dafür sind die Versuche von Frauen zahlreicher. Männer greifen dabei jedoch zu drastischeren Maßnahmen und können nicht gerettet werden.

Und was die Sache mit dem Sorgerecht angeht: Feminismus ist nicht der Grund dafür, dass Mutterliebe und mütterliche Verantwortlichkeit gesellschaftlich ungleich bedeutsamer erachtet werden als alles, was Väter aufbringen können. Stattdessen fordert er unsere Vorstellung von der Frau als Muttertier und vom Mann als erzieherische Aushilfskraft heraus und versucht die dahinterliegenden Stereotype und Sexismen zu attackieren.

Feminismus hat mit Männern an sich gar kein Problem, sondern mit einigen spezifischen Männlichkeitskonzepten. Seit Jahren beschreiben feministische Autorinnen wie Bell Hooks, inwieweit das Patriarchat von Männern vor allem andere Akte psychischer Selbstverstümmelung verlangt und Jungen durch Verletzungen ins Mannsein initiiert, während die Umstehenden dafür Beifall klatschen. Feminismus daran die Schuld zu geben, heißt nichts anderes, als die Abwehrmaßnahme mit dem eigentlichen Angriff zu verwechseln. Um in der Männern so vertrauten Sprache körperlicher Auseinandersetzung zu bleiben: Natürlich ist es schwierig aus seiner Deckung zu kommen. Es macht keinen Spaß und ist eine Zumutung, dazu aufgefordert zu werden. Aber Feminismus ist womöglich einer der besten Konter, die Mann dafür im Repertoire haben kann. (Nils Pickert, 8.7.2018)