Claire-Louise Bennett, "Teich". € 20,60 / 217 Seiten. Luchterhand, 2018

Cover: Luchterhand

Im Grunde weiß jeder, dass vor allem das, was nicht passiert ist, unser Leben prägt." Dieser Satz, der irgendwann in Claire-Louise Bennetts Buch vorkommt, steht an keiner wichtigen Stelle dieses schmalen Romans, der sich aus zwanzig unterschiedlich langen Kapiteln nach und nach herausschält, aber er fängt genau das ein, was dieses Debüt der britischen Autorin so überaus ungewöhnlich macht.

Überaus originell und erstaunlich detailverliebt erschafft Bennett, die an der irischen Westküste lebt, ihre Protagonistin, eine wahrscheinlich mittelalte Frau, die in einem Steinhaus in einem Dorf auf dem Land – zumindest meist – allein lebt. Genaues wissen wir nicht. Das macht aber nichts. Wir mäandern und tagträumen mit dieser Figur auch durch keinerlei Handlung, aber dafür durch unglaubliche Beobachtungen und Gedankengänge.

Überraschender Erzählstrang

Da verwandelt sich ein kleines, gelb getünchtes Badezimmer "in ein schmatzendes Sumpfloch", auf dessen "nassglänzenden Deckenbalken Molche, Frösche und dickbäuchige Spinnen hocken und meine tropfende Nacktheit beobachten", da wird ein fehlender Drehknopf an einer "Miniküche" zum überraschenden Erzählstrang: "Ich zum Beispiel habe es nicht geschafft, den Kopf in meinen Ofen zu schieben, ohne die Unterseite meines Kinns mit viel altem Fett zu beschmieren."

Wir bekommen von der Autorin und deren Ich-Erzählerin Marlen Haushofers Die Wand nacherzählt (ohne das Buch und deren Autorin zu nennen) und werden dabei von Bennett stets in einem Schwebezustand zwischen Wohl- und Unwohlsein gehalten. Unausgesprochen geht es ums Alleinsein und eine Einsamkeit, die in einer schlafwandlerischen Selbstbestimmtheit aber nicht nur etwas Deprimierendes, sondern auch viel Schönes an sich hat. Bennett beherrscht diese ungewöhnliche, ja umwerfende Beobachtungsgabe für menschliche Befindlichkeiten. Dieses Buch ist voller Sätze, die präziser nicht zu formulieren sind (übersetzt hat Eva Bonné): "Den Blick davon abzuwenden war ebenso verdächtig, zählte es doch ebenso als Hinschauen." Jeder kennt so etwas.

Eigenheiten, Marotten und Ängste

Wir lernen viele Eigenheiten, Marotten und Ängste dieser Frau kennen, die da in irgendeinem Dorf in irgendeinem Steinhaus neben irgendeinem Teich neben irgendwelchen Nachbarn lebt, aber wir erfahren auch Handlungsweisen, wie sie damit zurechtkommt, die Panik, die manchmal aufkommt, etwa in die Irre zu führen – "... indem ich mir sagte, dass das Schlimmste, was mir jetzt passieren könnte, in der Realität möglicherweise gar nicht so höllisch und brutal ausfallen würde wie in meiner maßlosen Fantasie".

Maßlose Fantasie, um die geht es in Teich vor allem anderen. Und diese maßlose Fantasie gebiert natürlich auch Monster: "Gelegentlich meine ich, in den Dingen auf dem Wasser einen verzerrten Godzilla zu erkennen." Aber, um es der Protagonistin gleichzutun: Über die Monster sprechen wir nicht. Der namensgebende Teich dieses großartigen Erstlings musste beschildert werden. "Der Teich ist übrigens gar nicht tief." Aber reale Ereignisse bedeuten der Erzählerin eher wenig. (Mia Eidlhuber, 9.7.2018)