Roger Deakin, "Logbuch eines Schwimmers". € 38,- / 387 Seiten. Mattes-&-Seitz- Verlag, Berlin 2015

Cover: Matthes & Seitz

Die Idee kam Roger Deakin, als er während eines sommerlichen Platzregens im Wassergraben am Ende seines Gartens in Suffolk schwamm, Aug in Aug mit den Fröschen und selbst aus der Froschperspektive beobachtend, wie jeder Regentropfen "in einer kleinen Fontäne" explodierte, "die kurz hochschoss, eine Blase schlug und dann zersprang". Deakin beschloss, sich auf eine längere Schwimmreise zu begeben, auf der er "befreit von der Tyrannei der Schwerkraft" dem Wasser folgen und sich von ihm treiben lassen würde, in der Gewissheit, dieserart "unter die Oberfläche der Dinge dringen und zu neuer Erkenntnis gelangen zu können".

Passionierter Naturwasserschwimmer

Es war ein gleichermaßen schönes wie exzentrisches Unternehmen und vor allem wie gemacht für ihn. Roger Deakin (1943-2006) war Filmemacher, Publizist, Naturschützer und Mitbegründer von Common Ground, einer wohltätigen Organisation, der es um praktische und philosophische Brückenschläge zwischen Kunst und Natur, Menschen und ihren Landschaftsumgebungen geht. Und er war ein passionierter Naturwasserschwimmer, der von eigensinniger Zivilcourage beseelt gegen die (in Großbritannien weitverbreitete) Privatisierung von Gewässern, besonders Flüssen und Bächen, anschwamm.

Das Buch, das aus seinen amphibischen Reisen entlang der Küsten und quer durch die Seen, Flüsse, Teiche und Naturbäder Großbritanniens entstand, trägt den Titel Logbuch eines Schwimmers. Es ist das einzige von Deakins zahlreichen Notizbüchern und Manuskripten, das noch zu seinen Lebzeiten als Buch herauskam. Es wurde in seiner britischen Heimat umgehend zu einem Bestseller und Klassiker. In deutscher Übersetzung liegt es seit 2015 vor, erschienen in der wunderbaren "Naturkunden"-Reihe von Matthes & Seitz, wo dieses Frühjahr auch ein grandioser Titel aus Deakins Nachlass erschienen ist, nämlich Wilde Wälder, sein ebenso gelehrter wie handfester Erkundungsausflug in die Welt von Holz, Bäumen, Holztechnik und Holzkunst.

Amphibisch reisen

Wie Wilde Wälder hätte auch Logbuch eines Schwimmers nicht nur im Sitzen geschrieben werden können. Deakin hat sich dieses Buch erkrault, ertaucht und erschwommen, er hat sich Flussufer entlang treiben lassen, hat Meeresbuchten durchquert, ist in eiskalte Bergtümpel gesprungen und in Teichen unter Wasserlinsenteppichen durchgetaucht. Stets ist er dabei Naturdichter und politischer Aktivist in Personalunion: So legt er sich, eben erst splitternackt dem Fluss Test in Hampshire entstiegen, als Schwarzschwimmer wortgewandt mit Fischereiaufsehern an, weil er nicht einsieht, dass die "Herren der Fliege" ganze Fluss- und Uferstrecken für sich allein haben wollen.

Deakins Überzeugung war, dass Gewässer für alle da sind. Trotzdem ist Logbuch eines Schwimmers nichts weniger als das Zweckwerk eines politischen Eiferers. Vielmehr kann man ungeschützt behaupten, dass keiner so schön über die Reize des Schwimmens schreibt wie Deakin! Er ist der klassische gelehrte Naturschriftsteller made in England: Er holt stets weit aus, schaut genau hin und webt sein Wissen über Literatur, Geschichte, Technik und Natur assoziationsreich in seine Reiseerlebnisse ein.

Deakin-Lektüre belohnt immer gleichermaßen mit literarisch-stilistischer Eleganz wie mit einem riesigen, schön komponierten Sammelsurium an Wissenswertem – von der Gefährlichkeit des Hechtbisses bis zur Geschichte der Firma Schweppes, von Elefanten-Wettschwimmen in Thailand bis zur Beschaffenheit des Otterpelzes, von Mühlenwehren bis zu historischen College-Flussbädern. Und eine wunderbare Worterfindung von Deakin gibt es auch: das Verb "quiven" nach einer Romanfigur namens Major Quive-Smith, ein schonungsloser Verfolger und Meister der Tarnung. Wer sich also verstohlen "wie ein Krokodil bis zur Nase im Wasser" ins Uferschilf "quiven" lässt, um von Spaziergängern unbeobachtet zu bleiben, der bewegt sich ganz auf Deakins – stets wasserfeuchten – Spuren. (Julia Kospach, 9.7.2018)