Siegfried Nagl: "Alles alte, widerlegte Vorwürfe."


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Peter Pilz zeigte den Grazer Bürgermeister an.


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Graz – Siegfried Nagl hatte wohl schon vergnüglichere Tage als Grazer Bürgermeister. Ende letzter Woche sagte das Österreichische Olympische Comité (ÖOC) die Unterstützung für Nagls Lieblingsprojekt, nämlich die Olympischen Spiele in Graz, ab, und nun bekam der ÖVP-Stadtchef zu Wochenbeginn eine saftige Anzeige auf den Tisch.

Parteigründer Peter Pilz und Umweltaktivisten übergaben der Staatsanwaltschaft zur Verfolgung von Wirtschaftsstrafsachen und Korruption (WKStA) eine Sachverhaltsdarstellung im Zusammenhang mit dem Bau des umstrittenen Murkraftwerks.

Der zentrale Vorwurf: Nagl habe sich gemeinsam mit dem ehemaligen ÖVP-Finanzstadtrat, dem Chef der städtischen Holding und der Führung des steirischen Landeskonzerns, Energie Steiermark AG, der Untreue und des Betrugs schuldig gemacht.

In den letzten Monaten war es auffällig ruhig geworden um die Staustufe. Die Bauarbeiten und Rodungen entlang der Mur sind weit fortgeschritten, die Turbinen bereits vor Ort, die Proteste dagegen abgeebbt. Doch nun sehen sich Nagl und diverse Vorstände plötzlich mit schweren rechtlichen Vorwürfen konfrontiert. Konkret geht es um den Bau des mit dem Kraftwerk unmittelbar verbundenen "Zentralen Speicherkanals". Dieser sei für Graz in der geplanten Form gar nicht notwendig, werde aber von der Stadt hauptsächlich finanziert. Daraus ergebe sich für Graz ein Schaden von rund 70 Millionen Euro, heißt es in der Sachverhaltsdarstellung.

"Teuerste Flusskraftwerksbaustelle"

Kraftwerksgegnerin Romana Ull, die ebenfalls als Anzeigerin aufscheint, sagte am Montag bei einer Pressekonferenz mit Pilz, nach monatelangen Recherchen sei nun klar, dass es diese "teuerste Flusskraftwerkbaustelle Österreichs nie hätte geben dürfen".

Ursprünglich hätten die Vorstände des Energiekonzerns einen Bau aus wirtschaftlichen Gründen abgelehnt, da er sich nicht rentiert hätte. Erst durch das "Millionengeschenk" der Stadt sei der Bau wirtschaftlich darstellbar geworden. Pilz und die Kraftwerksgegner wollen nun nachgewiesen haben, dass es widerrechtlich gewesen sei, dass an die teilprivate Energie Steiermark AG, die zu 25 Prozent einem australischen Investor gehört, und deren Tochterfirma das Kraftwerk baut, "Millionen verschenkt wurden".

Für die Stadt sei dieser zentrale Abwasserkanal nämlich nie notwendig gewesen, er mache nur im Zusammenhang mit dem Kraftwerk Sinn. Denn mit der Staustufe werde der Wasserspiegel angehoben, die bisherige Überläufe der Abwässer, die bei starken Regenfällen in die Mur geleitet werden, würden dadurch unter Wasser zu liegen kommen.

Daher sei ein neuer Kanal notwendig geworden. Dies wäre aber Sache der Kraftwerksbauer gewesen und nicht der Stadt, argumentieren die Anzeiger.

Überdies seien von der Stadt für dieses Projekt vom Land Steiermark sieben Millionen Euro an Förderungen abgeluchst worden, die ebenfalls dem Energieunternehmen zugutegekommen seien. Für Peter Pilz ein klarer Betrugsverdacht.

Die Anzeiger wollen jetzt die Entwicklung der Immobilienpreise entlang der Kraftwerksstrecke genau beobachten. "Wir werden uns anschauen, wer von der Aufwertung der Mur in diesem Abschnitt profitiert", sagte Pilz.

Nagl ist verärgert

Bürgermeister Siegfried Nagl reagiert einigermaßen verärgert auf die Anzeige. "Das ist ein typisches Anpatzen von Pilz, der sich erst jetzt wieder, nachdem er Immunität besitzt, in die Öffentlichkeit traut", heißt es auf Standard-Anfrage aus dem Büro des Bürgermeisters. An den Vorwürfen sei nichts dran, "alles alte, schon hundertmal widerlegte Vorwürfe". Zur Frage des Speicherkanals: "Wir hätten ohnehin einen Kanal bauen müssen, da haben wird die Gelegenheit des Kraftwerksbaus genützt, um ihn jetzt schon hineinzulegen."

Mit den Kraftwerksgegnern sei kaum noch zu kommunizieren. "Es ist zur Glaubensfrage geworden. Dagegen ist schwer zu argumentieren", lässt Nagl ausrichten. (Walter Müller, 9.7.2018)