Ein halber Kilometer Türkis zur Amtseinführung: Der türkische Staatspräsident Tayyip Erdogan und seine Frau Emine legten am Montag zu Fuß auf einem türkisfarbenen Teppich den Weg von der Einfahrt zum Präsidentenpalast in Ankara bis zur Tribüne am Gebäudeeingang zurück. 10.000 Gäste applaudierten.

AFP / Murat Muhurdar

Schwarze Wolken hängen über der Hauptstadt, als der kleine Konvoi über die abgesperrten Boulevards saust. Es ist ein Tag mit Donner und Wolkenbruch in Ankara, ganz der Dramatik des Moments entsprechend.

Tayyip Erdogans gepanzerte Limousine ist mit roten Nelken bedeckt, als sie in die Einfahrt zum Parlament rollt. Anhänger des autoritären türkischen Präsidenten haben den schwarzen Mercedes vom Straßenrand aus mit Blumen beworfen. "So Allah will, wird es von nun an schöner", fällt Erdogan ein, als ihm ein türkischer Journalist ein Mikrofon entgegenstreckt. Er meint das Wetter und sein neues Regime.

Schneller Amtseid

Keine halbe Stunde hat es am Montagnachmittag gedauert, dann ist die Türkei von der parlamentarischen Demokratie in ein Präsidialregime für Erdogan gekippt. Mit dem Amtseid, den der vor zwei Wochen wiedergewählte Präsident im Plenum des Parlaments ableistet, ist der Verfassungswechsel komplett. Erdogan spult das Programm schnell ab, tritt ans Rednerpult, verspricht Demokratie, Rechtsstaat und die "Prinzipien der säkularen Republik", so wie es die Formel des Amtseids vorschreibt.

Dann applaudieren die Abgeordneten seiner konservativ-religiösen Partei AKP ebenso wie die rechtsgerichteten Nationalisten der MHP lange unter Hoch-Rufen, während die Opposition sitzen bleibt oder – wie der Vorsitzende der sozialdemokratischen CHP – gar nicht erst erschienen ist. Diesen Affront muss Erdogan nicht zum ersten Mal hinnehmen. Doch der Protest ist bedeutungslos. Das türkische Parlament ist nun weitgehend entmachtet.

101 Salutschüsse

101 Salutschüsse lässt Erdogan am Abend für seine Feier zur Amtseinführung auf der Uferpromenade in Izmir in die Ägäis abfeuern. 16 Jahre regiert er nun die Türkei, erst als Ministerpräsident, seit 2014 als Staatschef und nun als Präsident, der allein an der Spitze des Staates steht, ohne Regierungschef, mit einem schwachen Parlament und mit Durchgriff bei der Justiz. Scheinbar mühelos gewann der 64-Jährige wieder die Wahlen Ende Juni.

Angeblich 10.000 Gäste sind im Palast in Ankara zur Feier für den Beginn der neuen Zeit im Land versammelt. Mehr als 30 Staats- und Regierungschefs sind zu Erdogans Amtseinführung gekommen, darunter der russische Ministerpräsident Dmitri Medwedew, der venezuelanische Autokrat Nicolás Maduro und Sudans Staatspräsident Omar al-Bashir, für den der Internationale Strafgerichtshof einen Haftbefehl ausgestellt hatte. Doch die Europäer bleiben fern – mit Ausnahme des ungarischen Regierungschefs Viktor Orbán und der Führer der Balkanländer. Brüssel schickt den EU-Kommissar für Migration, Dimitri Avramopoulos. Es ist ein Zeichen dafür, wie sehr sich Erdogan innerhalb der EU durch seinen autoritären Kurs isoliert hat.

Die neue Regierung

Später am Abend gibt Erdogan seine neue Regierung bekannt. Es ist die erste, die er selbst als Präsident führt und die vom Parlament nicht mehr bestätigt werden muss. Im Lauf des Tages wurden zwei weitere Notstandsdekrete bekannt, die Erdogan erlassen hat. Erdogan legte dabei Ministerien zusammen, änderte die Zusammensetzung des Rechnungshofs oder schuf neue Ämter. Mit Spannung war seine Wahl von Finanz- und Wirtschaftminister erwartet worden. Sier müssen mit Lira-Sturz, hoher Inflation von zuletzt 15,39 Prozent im Juni und ausbleibendem Auslandskapital fertig werden. Erdogan macht seinen Schwiegersohn Berat Albayrak zum Finanzminister. Dies drüfte von den Märkten negativ aufgenommen werden. Albayrak unterstützte in der Vergangenheit immer wieder Erdogans Kritik an der strikten Zinspolitik der türkischen Zentralbank.

Albayrak war eigentlich ins neue Parlament gewählt worden. Er muss nun sein Mandat abgeben. Erdogan brachte drei weitere Abgeordnete zurück ins Kabinett: Außenminister bleibt Mevlüt Cavusoglu. Auch Innenminister Süleyman Soylu und Justizminister Abdülhamit Gül machen weiter. Zum Vizepräsidenten ernannte Erdogan den 54-jährigen Ingenieur und Spitzenbeamten Fuat Oktay. (Markus Bernath, 09.07.2018)