Stimmt schon, Damenrasierer werden meist so beworben, als ob das Körperhaar bei Frauen nie existiert hätte. Die Firma Billie macht es anders – und hat dennoch in Wahrheit keine feministische Agenda.

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In blau-gräulichen Farben, mit kraftvoller Geste und ohne großes Drumherumreden: Werbung für Kosmetikprodukte für Männer könnte im Stil von jener für Frauen nicht weiter entfernt sein. In Spots für Männerrasierer werden zum Beispiel die Haare entschlossen mit dem beworbenen Produkt entfernt, während bei "Damenrasierern" wegrasiert wird, was es eigentlich gar nicht geben darf: Haare an den Beinen, in den Achseln oder gar an der erweiterten Bikinizone. Stattdessen werden in der Werbung superglatte Beine in die Luft geworfen, es wird bereits perfekt enthaart am Strand herumgehopst, und wenn die Rasur schon vorgezeigt wird, dann an pfirsichfarbener, ultraglatter Haut, die paradoxerweise schon völlig haarlos ist.

So was von divers

Eine Firma hat sich diesen ästhetischen Gender-Gap nun zunutze gemacht, um, Achtung, ihre Damenrasierer an die Frau zu bringen. Billie heißt die US-Marke, die nun tatsächlich den Twist versucht, Rasierprodukte für Frauen mit feministischem Gestus zu bewerben. Dafür nötigt die Firma die "Freiheit" (zu rasieren) und heftet sich gleich auch noch wie andere Kosmetik- und Modemarken neuerdings eine Verdienstplakette im Engagement für vielfältige Körperbilder ans Revers.

Billie zeigt haarige Beine und Achseln, die rasiert werden – oder eben nicht. Die rasierte Achsel darf neben der unrasierten stehen, wie die Website der Firma zeigt, sie koexistieren – auf Augenhöhe! Wer hätte das gedacht, und vor allem: Wer hätte gedacht, dass in den sozialen Medien Billie dafür abgefeiert wird, als wäre es tatsächlich diese Firma, die das Unglaubliche endlich (!) ausgesprochen hat: Frauen entscheiden selbst, ob sie sich rasieren. Danke, Billie, endlich wissen Frauen, wie groß ihr Handlungsspielraum ist.

Im Ernst: Das ist wohl einer der Höhepunkte des Erfolgs des Marktfeminismus, eine recht dreiste Ausbeutung der Frauenbewegung für Verkaufszwecke – vor allem von der Schönheits- und Modeindustrie, die Frauen freilich weiterhin ordentlich an der Kandare halten. Feministische Themen wie Selbstbestimmung, Body Positivity oder den Kampf gegen Schönheitsnormen verleibt sich plötzlich der politische Gegner ein, der Frauen schon immer, aber jetzt halt auf neue Art und Weise, zuflüstert: Wir sind auf deiner Seite. Sind sie nicht, auch wenn das manche Konsumentinnen glauben wollen – oder diverse PR-Firmen glauben machen wollen.

Tabubruch?

Besonders frech ist es, wie in diesem Beispiel, wenn eine Firma so tut, als habe sie das Thema Autonomie für Frauen erfunden, während viele Frauen jahrzehntelang gegen Weiblichkeitsvorstellungen gekämpft haben. Sie haben, anders als Billie, nicht daran verdient, sondern sexistische Herabwürdigung geerntet. "Aber sie brechen damit doch ein Tabu, das Tabu Körperhaar!", wie eine Mitarbeiterin von Billie glaubt. Das ist mehr als zweifelhaft, vor allem wenn man sich die Reaktionen auf die Kampagne ansieht, die haarsträubende Sätze wie diese produziert: "Diese Rasierermarke umarmt alle Frauen mit Körperhaaren", heißt es auf einer Webseite für Neuigkeiten aus der Welt der Werbung und des Marketings.

Umarmen? Ja, das glauben wir gerne – schließlich sollen die behaarten Ladys diese verdammten Dinger kaufen. Und wenn das mit dem Verkaufsargument "Autonomie" oder "Wahlfreiheit" besser klappt, dann hat das nichts mit einer feministischen Message zu tun. (Beate Hausbichler, 11.7.2018)