Koran und Bauchtanz ergänzen einander, behauptete Fernsehprediger Oktar lange. Doch nun änderte er den Dekor seiner Talkshows. Zuletzt lud er vorwiegend junge Männer und kopftuchtragende Frauen ein.

muhammed adnan

Ankara/Wien – Unlängst schickte die Sekretärin eine Einladung zur "3. Internationalen Konferenz über den Ursprung des Lebens und des Universums" in einem Istanbuler Hotel aus. Am Mittwochmorgen haben sich Adnan Oktar und eine Vielzahl seiner Mitarbeiter zu einer weniger metaphysischen Begegnung am Hauptsitz der Istanbuler Polizei im Stadtteil Fatih wiedergefunden.

Die Liste der Anschuldigungen gegen den exzentrischen Fernsehprediger, die veröffentlicht wurde, ist lang. Sie reicht von Steuerbetrug über Bildung einer kriminellen Vereinigung und Erpressung bis zur sexuellen Ausbeutung und zum Missbrauch von Minderjährigen.

Koran und Bauchtanz

Jahrelang war Oktar ein Fixstern der türkischen Sektenwelt. Seine nächtlichen Talkshows im eigenen Fernsehsender A9 waren eine Mischung aus Koran-Interpretationen und Bauchtanzeinlagen vollschlanker Damen, die dem prüfenden Blick des Predigers standhalten mussten.

Als Kreationist unterstützte der heute 62-Jährige die Bildungspolitik der konservativ-islamischen Regierung in der Türkei, die Darwin aus den Schulbüchern nehmen ließ. Mit seinem im Selbstverlag erschienenen "Atlas der Schöpfung" überflutete er ungebeten Universitäten und Regierungsverwaltungen auf der ganzen Welt.

"Kätzchen" belasten Prediger

Das Blatt wendete sich, als einige der "Kätzchen", wie Oktar seine Models in der Talkshow nennt, auspackten. Sie berichteten über sexuelle Ausbeutung, Drogenkonsum und gewaltsames Festhalten in den Residenzen des im Luxus schwelgenden "Hoca", des "Lehrers".

Bei der Razzia gegen Oktar am Mittwochmorgen setzte die Polizei auch Hubschrauber ein. Eine Serie sexueller Gewalttaten gegen Kinder in den vergangenen Wochen hat die türkische Öffentlichkeit schockiert und die Behörden unter Druck gesetzt. (Markus Bernath, 11.7.2018)