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Bundespräsident Alexander Van der Bellen wartet zu.

Foto: AP/Ronald Zak

Wien – Bundespräsident Alexander Van der Bellen wird das EU-Freihandelsabkommen mit Kanada (Ceta) vorerst nicht unterschreiben – er wartet auf die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs, wie es auch andere Staaten tun. Entscheidend dafür seien Zweifel, ob die geplanten Schiedsgerichte mit EU-Recht konform gehen, teilte die Präsidentschaftskanzlei am Mittwoch mit.

"Ich habe den Staatsvertrag zu Ceta, wie es meiner Aufgabe als Staatsoberhaupt entspricht, ausführlich und gewissenhaft geprüft. Das Ergebnis dieser Prüfung ist mit einem Vorbehalt positiv ausgefallen. Es gibt Zweifel, ob die Schiedsgerichte mit EU-Recht konform gehen. Sollte der EuGH entscheiden, dass Ceta mit dem Unionsrecht vereinbar ist, werde ich den Staatsvertrag umgehend unterzeichnen", erklärte der Bundespräsident.

Verfahren in Belgien

Der Hintergrund: Beim Europäischen Gerichtshof ist derzeit ein von Belgien initiiertes Verfahren anhängig, das die im Ceta-Vertrag enthaltenen Schiedsgerichte auf ihre Konformität mit dem EU-Recht prüft. Falls das Gericht negativ entscheide, bedeute das, dass alle entsprechenden Ratifizierungsschritte der Mitgliedsstaaten nichtig seien und das Abkommen neu verhandelt werden müsse, heißt es aus der Präsidentschaftskanzlei.

Sie verweist dabei auf den Ministerratsvortrag von Außenministerin Karin Kneissl (FPÖ) vom 14. Mai. Dort heiße es: "Der Abschluss des Abkommens seitens der Europäischen Union wird nach Ergehen eines positiven Gutachtens oder, im Falle der Feststellung von Unvereinbarkeiten mit dem Unionsrecht, nach allfälligen Nachverhandlungen erfolgen."

Adamovich-Gutachten als Grundlage

Die Präsidentschaftskanzlei verweist auch auf ein Gutachten des Verfassungsrechtlers Ludwig Adamovich, der als Berater des Bundespräsidenten tätig ist. Er schreibt darin: "Ich komme somit zum Ergebnis, dass keine verfassungsrechtlichen Einwände gegen die Absicht des Bundespräsidenten bestehen, die Ratifikation von Ceta bis zum Vorliegen des vom Königreich Belgien beantragten Gutachtens des Gerichtshofs der Europäischen Union aufzuschieben."

Van der Bellen hielt am Mittwoch fest, dass er sich die Entscheidung nicht leicht gemacht habe. "Einerseits sind die Beschlüsse des Nationalrates und des Bundesrates zu respektieren, andererseits ist die Prüfung und darauffolgende Entscheidung des EuGH zu achten. Da Mitgliedsstaaten wie Deutschland und die Niederlande angekündigt haben, den Ratifizierungsprozess erst nach dem EuGH-Urteil abschließen zu wollen, entsteht keine Verzögerung des möglichen vollständigen Inkrafttretens von Ceta", betonte der Bundespräsident.

Strache begrüßt Entscheidung

Vizekanzler und FPÖ-Obmann Heinz Christian Strache hat am Mittwochnachmittag die Entscheidung von Bundespräsident Alexander Van der Bellen, Ceta erst nach der Entscheidung des EuGH zu unterschreiben, begrüßt. Aus dem ÖVP-geführten Wirtschaftsministerium hieß, man respektiere die Entscheidung des Bundespräsidenten.

"Die Entscheidung des Bundespräsidenten jetzt einmal Ceta nicht zu ratifizieren und das EuGH-Urteil abzuwarten, findet meine volle Unterstützung. Besonders, da es dadurch auch keine zeitliche Verzögerung gibt, weil der Rechtsbereich erst in Kraft tritt, wenn alle Länder ratifiziert haben", so Strache.

WKÖ und IV hoffen

Wirtschaftskammer (WKÖ) und Industriellenvereinigung (IV) "respektieren" zwar grundsätzlich die Entscheidung des Bundespräsidenten, Ceta vorerst nicht zu unterschreiben, betonen aber, dass Ceta grundsätzlich ein gutes Abkommen sei und durch die vorläufige Anwendung bereits Handelshemmnisse abgebaut worden seien. Der ÖGB betont in seiner Reaktion, dass Schiedsgerichte inakzeptabel seien.

"Ganz grundsätzlich ist und bleibt Ceta ein gutes Abkommen, von dem gerade ein exportorientiertes Land wie Österreich eindeutig profitieren wird", so WKÖ-Präsident Harald Mahrer am Mittwochabend in einer Aussendung. Die Entscheidung des Bundespräsidenten, Ceta vorerst nicht zu unterschreiben, sieht Mahrer "gelassen". Das Abwarten auf den EuGH-Entscheid sei zu respektieren.

ÖGB und NGOs erfreut

Begrüßt wird dagegen die Entscheidung des Bundespräsidenten explizit vom Österreichischen Gewerkschaftsbund (ÖGB) und naturgemäß von den NGOs Global 2000, Attac Österreich und Greenpeace Österreich.

"Durch Ceta und die darin vorgesehenen Schiedsgerichte würde eine undemokratische Paralleljustiz für Konzerne eingeführt. Das ist inakzeptabel", so der Leitender Sekretär des ÖGB, Bernhard Achitz. An Ceta gebe es auch darüber hinaus noch zahlreiche Kritikpunkte, etwa hinsichtlich öffentliche Dienstleistungen, Regulierungskooperation und Arbeits-und Umweltstandards. (APA, 11.7.2018)