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Den Tag mit einer Lernphase beginnen ...

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Es folgt beispielsweise Malen, ...

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... weiter geht's mit einer Unterrichtsphase ...

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... und zum Abschluss Sport: Wird eine Ganztagsschule "verschränkt" geführt, wechseln einander Lern- und Freizeitphasen ab – das braucht Raum, hat aber die größten Effekte.

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Auch wenn gerade Sommerferien sind: Im Bildungsministerium ist man gerade dabei, den Finanzierungsmodus zum Ausbau ganztägiger Schulplätze umzukrempeln. Die eigentlich für die Jahre 2017 bis 2025 versprochenen 750 Millionen Euro für die Kofinanzierung zusätzlicher Ganztagsschulplätze startet nicht nur ein Jahr später und wird bis 2032 gestreckt, sondern soll jetzt auch zur Weiterfinanzierung von Personalkosten für bereits bestehende Ganztagsschulstandorte verwendet werden. Klingt technisch, ist es auch.

Kritiker erwarten sich durch die geplante Gesetzesänderung jedenfalls eine Verzögerung des Ausbaus. "Natürlich wird das zu einer zeitlichen Verlangsamung beim Ausbau führen", sagt etwa Florian Müller, Professor am Institut für Unterrichts- und Schulentwicklung an der Uni Klagenfurt. Und auch wenn Bildungsminister Heinz Faßmann (ÖVP) offiziell noch am Ziel festhält, an 40 Prozent der Standorte ganztägige Schulmodelle etablieren zu wollen, räumt man auch im Ministerium ein, dass durch die Neuregelung insgesamt weniger Plätze entstehen könnten. Dabei liegt Österreich, verglichen mit Deutschland, schon jetzt weit hinten. Im Jahr 2015 sei dort die Quote, je nach Bundesland, schon bei bis zu 60 Prozent gelegen, sagt Müller.

Schon beim Start abgehängt

Die Ausgangssituation hierzulande ist also alles andere als rosig. Zwar ist die Zahl der Ganztagsschulplätze laut OECD-Daten aus dem Jahr 2015 zwischen 2007 bis 2014 von 76.979 auf 140.102 angewachsen, allein seit 2011 wurden laut Bildungsministerium 58.000 zusätzliche Plätze geschaffen – aktuell hält man bei 168.832 Schülerinnen und Schülern in Ganztagsbetreuung, rund 126.00 davon an Pflichtschulen. Allerdings, und das ist entscheidend: Was als Ganztagsschule gilt, ist in Österreich – nun ja, sehr relativ.

"Eine Trennung von Hort, schulischer Tagesbetreuung und verschränkter Ganztagsschule ist mit den verfügbaren Daten nicht möglich", bemängelte das Bundesinstitut für Bildungsforschung (Bifie) bereits im Nationalen Bildungsbericht 2012. Geändert hat sich seither an der statistischen Erfassung nichts. Auch zur damaligen Forderung nach einer "gemeinsamen Begrifflichkeit über ganztägige Schulformen" kam es nicht.

Ganztagsplatz à l'Autriche kann derzeit variieren von vormittags Schule, nachmittags freiwillige Freizeitbetreuung aka Hort bis hin zu verschränktem Unterricht mit abwechselnden Unterrichts-, Lern- und Freizeitphasen. Als Mischform an einem Standort auch möglich: Einzelne Klassen lernen nach klassischem Halbtagsprinzip, andere haben verschränkten Unterricht.

Rhythmusstörung

Nur in der mehr oder weniger verschränkten Form samt gezieltem Förderangebot sei es aber möglich, das hochgesteckte Ziel der Reduzierung von sozialer Ungleichheit im Bildungssystem zu erreichen, ist Müller überzeugt: "Studien aus Deutschland zeigen beispielsweise, dass Kinder in Ganztagsschulen sich in ihrer Sozialkompetenz besser entwickeln, mehr Motivation und ein besseres Selbstbild haben; dies aber nur dann, wenn die Beziehungsqualität zwischen den Lehrkräften und Schülern gut gelingt."

Zumindest auf der Website des Bildungsressorts wird das auch erkannt, nicht mehr als "20 km vom Wohnort" entfernt sollen Schüler einen ganztägigen Unterricht besuchen können. Im Ministerratsvortrag ist davon keine Rede mehr. Im Gegenteil: Weil die Förderungen aus der auf 750 Millionen abgespeckten Bankenmilliarde "großteils nur für verschränkte ganztägige Schulformen möglich" seien und Schulerhalter, "die bedarfsgerecht eine getrennte ganztägige Schulform einführen", diese künftig nicht mehr ausreichend finanzieren könnten, lautet das neue Motto "Wahlfreiheit". Im Gemeindebund freut man sich bereits. Sind doch die Freizeitpädagogen ebenfalls vom Schulerhalter zu bezahlen.

Die Frage, ob der Nachwuchs auch nachmittags die Schulbank drückt, wird auch vom Wohnort bestimmt. Exemplarische Zahlen aus der Hauptstadt: Von den mehr als 380 Pflichtschulen gab es im abgelaufenen Schuljahr in Wien 54 Volks- und sechs Mittelschulen mit ganztägig verschränktem Unterricht, zusätzliche 98 Schulen liefen im offenen Modell. Kommendes Jahr kommen fünf weitere Schulen mit verschränktem Unterricht hinzu – vier Volks-, eine Mittelschule. Wien habe alle für den Ausbau bereitgestellten Mittel genutzt, wird betont, alleine durch die Änderungen im Rahmen des Budgetbegleitgesetzes hätten sich die Zuschüsse des Bundes um zehn Millionen Euro reduziert. Jetzt wird auf das neue Gesetz gewartet.

Anders die Situation in Tirol: Hier gibt es an 161 von 527 Schulen eine Form von Ganztagsbetreuung, insgesamt 6000 von rund 23.000 Pflichtschülern würden davon Gebrauch machen. Es schwingt schon mit, was die Tiroler Ganztagsschule auszeichnet: Die Freiwilligkeit. Nur an 13 Standorten wird der Tag mit verschränktem Unterricht rhythmisiert – und davon sind es wiederum nur zwei, an denen sich das Konzept über die ganze Schule erstreckt: eine öffentliche Sonderschule und eine Privatschule.

Dass sich die Situation mit der geplanten "Vereinfachung" des Fördermechanismus drastisch ändern wird, glaubt man im Tiroler Landeschulrat nicht. Allenfalls rückwärtsgewandt: "Der Ausbau wird sich in Tirol auf alle Fälle verlangsamen", erklärt ein Sprecher. Weil nämlich die Förderung künftig per Kopf erfolgen soll, wirke sich das "negativ" auf die vielen kleinen Gruppen aus.

Frage der Qualität

Bei all dem Hin und Her ist für Bildungsforscher Müller die entscheidende Frage noch gar geklärt. "Im Kern geht es immer darum: Wie bekommt man die Qualität organisiert?" Da gehe es um gezielte Fortbildungen für Lehrer und Schulleitungen, Monitoring und darum, wer die Schulen beim Auf- und Ausbau der Ganztagsschule berät und unterstützt. Müller findet: "Hier wurde noch zu wenig nachgedacht, es gibt keine gute Strategie für Unterstützungen des Prozesses." Ganztagsschule gelinge nur dann, wenn die verschiedenen Disziplinen – vom Lehrer bis zur Freizeitpädagogin – gut kooperieren. Müller: "Wird das nicht berücksichtigt, wird die Enttäuschung groß sein, weil es keine Effekte gibt." (Peter Mayr, Karin Riss, 13.7.2018)