4,77 Milliarden Euro gibt der Bund für Familienbeihilfe aus – wer sie erhält, wird allerdings wenig kontrolliert.

Foto: Regine Hendrich

Wien – Bei den vieldiskutierten Familienleistungen für im Ausland lebende Kinder – die türkis-blaue Koalition hat hier ja eine Indexierung, die zu faktischen Kürzungen führt, auf den Weg gebracht – ist der Rechnungshof auf eine Reihe von Ungereimtheiten gestoßen.

Die Probleme liegen zum Teil in der österreichischen Behördenorganisation, zum Teil aber auch bei der mangelnden Koordination zwischen Österreich und den anderen EU-Ländern. Um abgleichen zu können, welche Leistungen für welches Kind von welchem Land tatsächlich erbracht werden, müsste der EU-weite Datenaustausch verbessert werden, erkannten die Kontrollore.

Neos und Liste Pilz haben anlässlich des Rechnungshofberichts Kontrollen bei der Auszahlung der Familienbeihilfe statt einer "EU-rechtswidrigen Indexierung" gefordert. Familienministerin Juliane Bogner-Strauß (ÖVP) sah durch den Bericht die von der Bundesregierung angestrebte Indexierung als "richtig und dringend nötig" bestätigt.

Rechnungshof empfiehlt Datenbankabfragen

Aber auch die bestehenden Möglichkeiten, unrechtmäßigen Bezug von Familienbeihilfe aufzudecken, würden allenfalls als Initiativen einzelner Finanzbeamter vorkommen.

Es ließen sich aber auch durch Abfragen bei bestehenden behördlichen Datenbanken Indizien auf den Wegfall von Voraussetzungen für den Bezug der Beihilfe finden – der Rechnungshof empfiehlt zum Beispiel ein Augenmerk auf Abmeldungen im Zentralen Melderegister, den Wegfall der Sozialversicherung, den Abbruch des Schulbesuchs trotz Schulpflicht, den Abbruch der Lehrlingsausbildung oder die Verhängung von Aufenthaltsverboten.

Hundertmal mehr Kinder im Ausland begünstigt

Mit einem Anteil von 45 Prozent der gesamten familienbezogenen Ausgaben ist die Familienbeihilfe das zentrale Instrument der Familienpolitik in Österreich. 2016 wurden rund 4,77 Milliarden Euro an Familienbeihilfe plus Kinderabsetzbetrag für zwei Millionen Kinder ausbezahlt. Das entspricht einem Anteil von sechs Prozent der Gesamtausgaben des Bundes. 291 Millionen Euro gingen an 130.000 Kinder, die im Ausland gemeldet waren. Die Zahl der im Ausland lebenden Kinder, für die Österreich Familienbeihilfe bezahlt, hat sich in den vergangenen 15 Jahren fast verhundertfacht – 2002 wurde erst für 1.500 im Ausland lebende Kinder Familienbeihilfe bezogen. Diese Steigerung steht im Zusammenhang mit der EU-Erweiterung und der Öffnung des österreichischen Arbeitsmarktes.

Die Zahl der anspruchsberechtigten Kinder insgesamt hat sich zwischen 2002 und 2016 dagegen nicht verändert, es wurde über diese Jahre immer für rund zwei Millionen Kinder Familienbeihilfe ausbezahlt. Die Kosten sind aber deutlich gestiegen. 2002 wurden 3,7 Milliarden Euro ausbezahlt, 2016 waren es 4,7 Milliarden Euro.

Etwa 50 Prozent der Zahlungen für im Ausland lebende Kinder gingen nur in zwei Länder, nämlich nach Ungarn und in die Slowakei, und weitere 40 Prozent in die vier Länder Polen, Rumänien, Slowenien und Tschechien.

Indexierung sinnvoll, aber kompliziert

Der Rechnungshof ist der Ansicht, dass eine Indexierung zwar durchaus geeignet wäre, die Zahlungen an Familienleistungen für im Ausland lebende Kinder zu reduzieren. Allerdings: Die Komplexität des ohnehin schon komplizierten Differenzzahlungssystems (also die Aufzahlung auf geringere im Ausland gewährte Beihilfen) würde weiter steigen.

Besonders störte die Rechnungshofprüfer, dass die Anspruchsvoraussetzungen für den Bezug der Familienbeihilfe kaum kontrolliert werden: "Bei in Österreich lebenden österreichischen Staatsangehörigen erfolgten in der Regel 18 Jahre keine Kontrollen des Weiterbestehens der Anspruchsvoraussetzungen; bei in Österreich lebenden EU/EWR-Staatsangehörigen wurden — je nach Länge des Aufenthalts in Österreich — in der Regel 13 Jahre beziehungsweise 18 Jahre keine Kontrollen vorgenommen. Damit war es möglich, dass die Finanzämter Familienbeihilfe ungerechtfertigt für einen langen Zeitraum ausbezahlten, wobei aufgrund der fünfjährigen Verjährungsfrist auch keine Möglichkeit mehr bestand, den vollen Betrag zurückzufordern."

Prüfer untersuchten Einzelfälle

Das ist nicht reine Theorie: So stießen die Prüfer auf ein Kind, für das im Jahr 2002 Familienbeihilfe bis zur Volljährigkeit bewilligt wurde, das aber seit 2009 nicht mehr in Österreich gemeldet ist. Bei anderen im Ausland lebenden Kindern von in Österreich beschäftigten Personen wurde nicht berücksichtigt, dass für diese Kinder ohnehin auch vom jeweiligen Heimatland Familienleistungen erbracht wurden. Umgekehrt gab es auch Fälle, in denen – etwa wegen fehlender Unterlagen – bestehende Ansprüche für im Ausland lebende Kinder nicht erfüllt wurden.

Der Rechnungshof beklagt auch auf eine Doppelgleisigkeit im System: Familienbeihilfe und Kinderabsetzbetrag sind Förderungen, die sich an dieselben Personen richten und für die dieselben Anspruchsvoraussetzungen gelten – "die Finanzierung erfolgte jedoch aus unterschiedlichen Töpfen. Die Familienbeihilfe fiel inhaltlich in den Zuständigkeitsbereich des Bundesministeriums für Familien und Jugend, der Kinderabsetzbetrag in den Zuständigkeitsbereich des Bundesministeriums für Finanzen. Die Aufteilung der monetären Familienleistungen des Bundes auf zwei Leistungselemente, die unterschiedlich finanziert wurden und für die unterschiedliche Ministerien die Ausgaben- und Vollzugsverantwortung hatten, stellte ein Element der Intransparenz dar", schreiben die Prüfer. (Conrad Seidl, 13.7.2018)