Die zwei Bohrer heißen "Carl" und "Ghega".

Foto: grafebner

Semmering/Spital am Semmering – Die Tunnelbohrmaschinen "Carl" und "Ghega" starten ihr großes Fressen: Am Freitag fand das feierliche "Andrehen" im steirischen Fröschnitzgraben auf der Baustelle des Semmering-Basistunnels (SBT) statt. Die Maschinen sollen sich bis 2020 neun Kilometer weit durch den Berg in Richtung Gloggnitz in Niederösterreich "fressen", hieß es seitens der ÖBB.

Der Großteil des 27 Kilometer langen Bahntunnels sowie alle Zugänge werden "in Handarbeit" im klassischen Bagger- und Sprengvortrieb errichtet. Die Geologie entscheidet, wo Tunnelbohrmaschinen zum Einsatz kommen können. Beim SBT ist das in rund einem Drittel des Tunnels der Fall und zwar konkret im mittleren Abschnitt. Am Freitag startete symbolisch die erste der beiden Maschinen, die zweite – "Ghega" – wird im Herbst loslegen.

Kernnetz als Chance

Für Verkehrsminister Norbert Hofer (FPÖ) wird die Bahn in Österreich mit dem SBT noch beliebter. Der EU-Koordinator für den Baltisch-Adriatischen Korridor, Kurt Bodewig, sprach bei den Feierlichkeiten von einer neuen Situation durch den künftigen Korridor: Es werde mehr Beschäftigung geben, nicht nur während der Bauzeit, und er fügte hinzu: "Das EU-Kernnetz ist als Chance zu sehen, dass Europa weiter zusammenwächst." Der steirische Landeshauptmann Hermann Schützenhöfer sowie der niederösterreichische Verkehrslandesrat Ludwig Schleritzko (beide ÖVP) unterstrichen die Attraktivierung des Wirtschaftsstandortes. ÖBB-Vorstandsvorsitzender Andreas Matthä hob die Bedeutung für den Güterverkehr hervor.

Tunnelpatin Elisabeth Schöggl, Witwe des in Lassing verstorbenen Josef Schöggl, sprach kurz vor dem "Andrehen" noch bewegende Worte, denn das Grubenunglück jährt sich kommende Woche am 17. Juli zum 20. Mal. Für sie und ihren Sohn habe der SBT eine besondere Bedeutung, denn ihr Mann habe damals für den Tunnel die Sondierungsarbeiten durchgeführt: "Der Tunnel ist daher ein Zeichen, dass sein Engagement nicht umsonst war. Das ist ein großer Trost für uns." Dann gab sie via Funk das offizielle Kommando für den Start der Maschine: "Tunnelbohrmaschine los."

Carl und Ghega

Die Tunnelbohrmaschinen – benannt nach dem Ingenieur und Erbauer der alten Semmeringbahn Carl Ritter von Ghega – sind je 120 Meter lang und 2.500 Tonnen schwer. Je Tunnelröhre kommt eine Maschine zum Einsatz. Sie werden in Frankreich nahe Lyon gebaut und legen vor ihrem Einsatz eine Reise per Schiff und Lkw zurück. Aus Platzgründen werden die beiden Bohrer hintereinander in Einzelteilen angeliefert, um dann bei der Baustelle rund 400 Meter unter der Erde zusammengebaut zu werden.

Im Schnitt legt der Tunnelbohrer täglich zwischen zehn und 15 Meter zurück. Der rund 27 Kilometer lange Semmering-Basistunnel soll 2026 fertig sein und eine Fahrt von Wien nach Graz in unter zwei Stunden ermöglichen. Zusammen mit dem ebenfalls gerade in Bau befindlichen Koralmtunnel entsteht die neue Südstrecke. Sie soll Wien und Klagenfurt in zwei Stunden und 40 Minuten verbinden.

So schwer wie 800 Elefanten

Mit rund 2.500 Tonnen wiegt ein Tunnelbohrer etwa so viel wie 400 Elefanten. Er ist mit 120 Metern länger als ein Fußballfeld und hat einen Bohrkopf-Durchmesser von zehn Meter. Jeder Bohrer wird in 630 Teilen – das entspricht 120 Lkw-Ladungen – angeliefert. Die Maschinen setzen im Vortrieb sogenannte Tübbinge an der Tunnelwand ein. Dabei handelt es sich um Betonringe. Rund 50.000 Tübbinge sowie rund 70.000 Tonnen Eisen kommen im SBT zum Einsatz. Ein Tübbing ist zwei Meter breit. Ein gesamter Ring besteht aus sechs Tübbingen. Der Bohrkopf des Tunnelbohrers wird von 14 Elektromotoren angetrieben. Gesamt haben diese eine Leistung von rund 6.000 PS, das ist die sechsfache Leistung eines Formel-1-Autos. Die maximale Vorschubkraft einer Maschine beträgt rund 90.000 Kilonewton, das entspricht dem dreifachen Startschub eines Space Shuttles. (APA, 13.7.2018)