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Omas gegen Rechts, bei einer Demonstration Im Juni 2018

Foto: REUTERS /LISI NIESNER

Omas gegen Rechts mit Transparenten. Womöglich selbst gebastelt.

Foto: standard/ by der Plankenauer/CL

Immer wieder kommt es vor, dass Künstler dem Wahn anheimfallen, sie wären auch Staatsbürger, fähig und berechtigt, sich wie jeder Banause zu Angelegenheiten des Gemeinwesens zu äußern. Die Künstler bedenken dabei gar nicht, dass die Stätte ihres Wirkens nun einmal der elfenbeinerne Turm ist, den zu verlassen mit dem Risiko verbunden ist, sich für diese Grenzüberschreitung aus dem Reich des Ideals in die Gefilde des Lebens einen Rüffel in der "Presse" einzuhandeln.

Dienstag war's, da schockierte Hans Winkler, langjähriger Leiter der Wiener Redaktion der "Kleinen Zeitung", nunmehriger Gastkommentator eben der "Presse", deren Leserinnen und Leser mit der Schilderung eines grausigen Erlebnisses. Kürzlich kam ich an einer Souterrainwohnung vorbei, deren Tür offen stand. Drinnen saßen einige Frauen um einen niedrigen Tisch und bastelten Werbematerial für "Omas gegen rechts". Diesen Schock zu verarbeiten gelang Winkler offenbar nur, indem er das Grausen assoziativ steigerte. Die "Omas gegen rechts" haben ein Pendant: Nennen wir sie die "Oma-Künstler gegen rechts". Bei diesen handelte es sich aber nicht, wie zu erwarten gewesen wäre, um ältere Künstler weiblichen Geschlechts. Die Formulierung "Oma-Künstler" sollte lediglich die gesellschaftliche Entwertung, die alte Menschen und besonders alte Frauen oft zu spüren bekommen, auf Künstler im allgemeinen übertragen und so ihre Diskreditierung a priori absichern.

Es sind, so Winkler, vor allem Schriftsteller, aber auch bildende Künstler, die glauben, dass sie kraft ihres Künstlerseins eine politische Mission haben. Woher Winkler erkannt haben will, dass sich besagte Künstler eine politische Mission nicht einfach als Bürger, sondern kraft ihres Künstlerseins anmaßen, ja wieso man überhaupt eine spezielle Mission verspüren muss, um sich politisch zu äußern, blieb unerklärt. Es konnte aber gar nicht anders sein, denn: Die Mission richtet sich natürlich gegen "rechts", also gegen die gegenwärtige Regierung, jedenfalls aber gegen die FPÖ.

Ob die Richtung der Mission wirklich natürlich ist und nichtdoch in Aktivitäten der Regierung solide begründet, interessierte Winkler nicht weiter, durchschaute er doch problemlos den schnöden Hintergrund der politischen Mission. Bei der ÖVP sind sich manche nicht ganz so sicher, denn sie stellt den Kulturminister, von dem man ja einmal etwas brauchen könnte. Womit das Psychogramm des Oma-Künstlers noch nicht ausgeschöpft ist.

Die Oma-Künstler kommen sich gern verfolgt vor, um sich als Helden des Widerstands fühlen zu können. Zum Glück fällt aber niemand darauf herein – außer Winkler mit seinem Beitrag: Es tut ihnen aber niemand diesen Gefallen. Deshalb sind sie frustriert und schimpfen umso heftiger auf die, denen sie unterstellen, sie eigentlich verfolgen zu wollen. Als Beweis für diese Analyse der Künstlerseele muss Winkler weit zurückgreifen – und auch noch daneben. Einer, der die Rolle des Verfolgten schon früh geübt hat, ist Günter Brus. Die Übung sah so aus: Als er nach einer Verurteilung wegen Erregung öffentlichen Ärgernisses (aus heutiger Sicht völlig lächerlich - aus damaliger auch) nach Deutschland ging, nannte er es eine Flucht. Was sollte es sonst gewesen sein?

Genau genommen handelt es sich bei den Künstlern um eine Mischung aus Frechheit und Dummheit. Es genügt manchen Künstlern nicht, ihre Arbeit zu tun. Sie müssen unbedingt auch etwas Politisches im Sinn haben, selbst wenn sie keine Vorstellung davon haben, was das sein könnte. Die Emotion genügt und die Überzeugung der eigenen moralischen Überlegenheit kraft künstlerischer Existenz.

War höchste Zeit, dass Österreichs Oma-Künstler eine auf den Deckel kriegten. Was Winklers Tirade auslöste, war der noch immer schmerzende Auftritt Michael Köhlmeiers in der Hofburg. Eine Gedenkrede für die Opfer des Nationalsozialismus zur Abrechnung mit einer Partei zu benutzen, die man nicht mögen muss, die aber dafür nichts kann, ist eine Missachtung der Menschen, deren bei dem Anlass gedacht wurde. Na geh! Eine Missachtung dieser Menschen wäre vorgelegen, wenn bei diesem Anlass nur Harmloses zu einer Regierungspartei gesagt worden wäre, die achtzig Jahre danach zu einer Historikerkommission gezwungen werden muss, um Abrechnung mit sich selbst wenigstens vorzutäuschen. Mehr wird es nicht sein. (Günter Traxler, 14.7.2018)