Innsbruck – Das schwebende Kartonufo lässt nicht viel Platz zum Vorbeigehen. Im schmalen Durchgang zwischen Galeriewand und Wellpappekubus verändern sich Akustik und Lichtsituation schlagartig und machen den "Shrine" von Peter Sandbichler zum sehr präsenten skulpturalen Gegenüber. In Japan würde es glatt als bewohnbare Raumzelle eines metabolischen Architekturentwurfs durchgehen. Es erinnert mit seiner tiefen Reliefoberfläche auch an die Fassadengestaltung des Wiener Varta-Hauses, mit dem Sandbichler Aufsehen erregte.

Aus 112 identisch gefalteten Kartonelementen ist der raumgroße schwebende "Shrine" gefertigt. Vorher war er viele Fahrradverpackungen.
Foto: Galerie Elisabeth & Klaus Thoman/Bernhard Sickert

Dass der Kartonkörper nicht durch eine komplizierte Konstruktion, sondern allein aus 112 identischen dreidimensional gefalteten Kartonelementen und vielen Metern Klebeband erzeugt wird, ist so einfach wie genial. Sandbichler mag die "enorme Freiheit im Kopf", die das billig verfügbare Recyclingmaterial erzeugt. Er setzt es mit einer Lockerheit ein, die genau das richtige Maß an Perfektion und sensiblem Materialverständnis hat, um es nie trashig erscheinen zu lassen.

Ein kontrolliertes Falten in wesentlich kleinerem Maßstab stellen Sandbichlers Origamibilder dar, von denen sechs in der Innsbrucker Ausstellung Mind the crap zu sehen sind. Wieder ist es flaches Papier – die dünnen Zeitungsseiten seines deutschen Lieblingsblatts -, das durch eine japanische Fischgrät-Falttechnik plötzlich dreidimensional wird und eine filigrane Topografie aus Licht und Schatten entwickelt, in der sich Texte und Bilder collagenartig neu zusammensetzen.

2D wird in 3D überführt, Fläche in Raum, und die Wahrnehmung kippt spannungsvoll vom Inhalt der Zeitungsseite, die Sandbichler übrigens mit Bedacht wählt, zur zarten Ästhetik des Objekts.

Unkontrolliert falten sich Objekte der Serie Alte Schachteln. Ebensolche zwingt Sandbichler durch Draufspringen zum Verformen. Was bei dem Aktionismus zufällig entsteht, wird in Aluminium, Bronze oder Beton ausgegossen, wirkt aber wie nach bespraytem Karton und nicht wie ein Sitzobjekt mit 140 Kilo Gewicht. Ein gekonntes Spiel mit Beton und Karton, mit der Frage, welches Material nun wertvoll ist und welches nur so scheint. (niwe, 16.7.2018)