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War Wladimir Putin im Recht, als er nach seinem Amtsantritt die Wodkaprivatisierungen rückgängig machte? Die jüngsten EU-Gerichtsentscheidungen bestätigen diese Ansicht.

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Wem gehören die Rechte für die weltberühmten Wodkamarken Stolichnaya und Moskovskaya? Mit dieser Frage schlagen sich Gerichte in aller Welt seit dem Jahr 2000 herum. Damals machte der frisch gewählte russische Präsident Wladimir Putin gegen die Privatisierung in den frühen 1990er-Jahren einer Gesellschaft mit rund 40 Spirituosenmarken, die ein paar Jahre später an den Oligarchen Yuri Shefler weiterverkauft wurde, mobil. Russische Gerichte übertrugen die inländischen Rechte an das Staatsunternehmen Sojuzplodoimport, Shefler ging ins Exil und nahm für seine Unternehmensgruppe Spirits International (SPI) die ausländischen Markenrechte mit. Moskaus Versuche, Shefler per Auslieferung zurück ins Land zu bekommen, scheiterten zwar, dafür aber wird SPI in aller Welt von FKP Sojuzplodoimport geklagt.

Das Ergebnis ist ein globales juristisches Wirrwarr: In einem Land gewinnt die eine, anderswo die andere Seite. In den wichtigsten Märkten laufen die Verfahren noch. In Österreich kommt dazu, dass die Gerichte uneinig sind, wem die Rechte zustehen.

Erfolg für Moskau

Nun aber hat Moskau einen wichtigen Erfolg errungen: Der Oberste Gerichtshof (OGH) gab der Revision von FKP Sojuzplodoimport statt und entschied, dass ein niederländisches Urteil zugunsten des Staatsunternehmens für Österreich Bindewirkung hat. Die Höchstrichter hoben ein Urteil des Oberlandesgericht Linz als nichtig auf und verwiesen den Fall zurück an das OLG mit dem Auftrag, die Entscheidung der Niederländer in Parallelverfahren bezüglich der Markenrechte in den Benelux-Staaten anzuerkennen (OGH, 11. 6. 2018, 4 Ob 88/18x). Obwohl auch das niederländische Urteil noch nicht rechtskräftig ist, stärkt das die Chancen von FKP Sojuzplodoimport, auch hierzulande Recht zu erhalten.

"Mit dieser nicht mehr anfechtbaren Entscheidung sind die Fragen nunmehr innerhalb der EU abschließend geklärt", sagt Christian Klausegger von der Kanzlei Binder Grösswang, der die Russen vertritt. "Die Gerichte in Österreich werden sich nur noch mit den daraus resultierenden markenrechtlichen Ansprüchen auseinanderzusetzen haben."

Klagsberechtigung angezweifelt

Anders als das OLG Linz waren die niederländischen Gerichte der Ansicht, dass die Rücknahme der Privatisierung durch den russischen Staat fast ein Jahrzehnt nach dem Verkauf wirksam war. SPI argumentiert, dass diese Transaktionen bereits Ende 2000 verjährt waren. Auch die Klagsberechtigung von FKP Sojuzplodoimport wird von Sheflers Anwälten angezweifelt.

Die dahinterliegende Frage ist hochpolitisch und für westliche Gerichte schwierig zu entscheiden: Was war verwerflicher – die Verschleuderung von Staatsvermögen durch Privatisierungen unter Präsident Boris Jelzin nach 1991 oder die oft brutalen Methoden, mit denen unter Putin diese Vermögenswerte wieder unter die Kontrolle des Kreml kamen? Während Shefler Russland rechtzeitig verließ, verlor der Oligarch Michail Chodorkowski nicht nur seinen Ölkonzern Yukos, sondern landete nach fragwürdigen Gerichtsurteilen zehn Jahre lang in russischen Straflagern. Bei der Beantwortung dieser Frage geht es daher auch um die Legitimität von Putins Herrschaft.

Bindungswirkung in der EU

Der Beschluss des OGH drehte sich um einen anderen Aspekt, nämlich die Einheitlichkeit der Rechtsprechung in der EU: Das Höchstgericht stellte fest, dass "die Bindungswirkung der Entscheidung eines Gerichts in einem anderen EU-Mitgliedsstaat in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen zu berücksichtigen" ist. Obwohl gegen das niederländische Urteil noch einmal berufen worden ist, hat es dort Gültigkeit – und ist damit auch für Österreich bindend. In Brasilien hat SPI bereits gesiegt, in den USA ist Shefler klar im Vorteil.

Martin Reinisch von der Kanzlei Brauneis Klauser Prändl, der SPI vertritt, sieht die Sache nicht verloren. Schließlich habe das niederländische Höchstgericht noch nicht entschieden. "Und unabhängig vom niederländischen Urteil haben wir in der Sache zusätzliche Argumente." (Eric Frey, 17.7.2018)