Die psychische und physische Belastung ist enorm: Blutige Durchfälle, schmerzhafte bis mitunter kolikartige Bauchkrämpfe, ständiger Stuhldrang, Fieber, Gewichtsverlust und Abgeschlagenheit. Die Folge: Betroffene ziehen sich zunehmend aus den sozialen Leben zurück.

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Üblicherweise bemerkt man ihn kaum, der Darm macht einfach seine Arbeit. Ist er aus dem Lot, gerät das gesamte Leben aus der Bahn. Das zeigte eine Befragung im Auftrag des Pharmakonzerns Pfizer unter 1.159 Patienten, die an einer mittelschweren oder schweren Form der sogenannten Colitis ulcerosa (CU) leiden – einer schubweise verlaufenden, nicht ansteckenden, chronisch entzündlichen Erkrankung des Dickdarms. Demnach geben 84 Prozent der Betroffenen an, mental so erschöpft zu sein, dass für Zukunftspläne kaum Kraft bleibt.

Die körperlichen Beschwerden sind heftig: Blutige Durchfälle, schmerzhafte, mitunter auch kolikartige Bauchkrämpfe, ständiger Stuhldrang, Fieber, Gewichtsverlust und Abgeschlagenheit. Hinzu kommen psychosoziale Probleme. Erkrankte Menschen ziehen sich zunehmend aus dem sozialen Leben zurück, trauen sich nicht mehr auf die Straße.

Zwei Drittel (67 Prozent) der Befragten bestätigen die Aussage: "Ich glaube, dass Colitis ulcerosa mein Leben kontrolliert, anstatt dass ich die Krankheit kontrolliere". Knapp 40 Prozent geben an, dass dies Auswirkungen auf ihre Familienplanung hat. – 17 Prozent sagen, keine Kinder (mehr) haben zu wollen, 13 Prozent verschieben ihren Kinderwunsch auf später. In etwa einem von zehn Fällen (11 Prozent) geht die Beziehung in Brüche.

Krankheit als Karrierekiller

Die Krankheit gilt auch als regelrechter Karrierekiller. Rund sieben von zehn Patienten (68 Prozent) denken, sie wären erfolgreicher, wenn sie nicht von Colitis ulcerosa betroffen wären. Das zeigt sich auch in der Anzahl der Krankenstände oder Fehltage in der Schule. Erkrankte geben außerdem an, dass sie Dienstreisen deutlich häufiger stornieren müssen als gesunde Menschen.

"Colitis ulcerosa ist lebensverändernd. An schlechten Tagen macht es die Erkrankung oft unmöglich, das Haus zu verlassen. Aber auch an relativ guten Tagen sind Patienten in ihrem Alltag eingeschränkt. Viele planen ihre Aktivitäten rund um die Verfügbarkeit einer Toilette", weiß Evelyn Gross, Vizepräsidentin der Österreichischen Morbus Crohn und Colitis ulcerosa Vereinigung (ÖMCCV).

Es brauche neue Behandlungsansätze, ergänzt Harald Vogelsang, Leiter der Spezialambulanz für Morbus Crohn und Colitis ulcerosa an der Universitätsklinik für Innere Medizin III in Wien. "Einerseits um die Krankheit medizinisch besser in den Griff zu bekommen, andererseits braucht es aber auch Ressourcen-Infrastruktur, um Patienten Unterstützung in allen Lebensbereichen bieten zu können." Aktuell befinden sich drei Substanzen gegen chronisch entzündliche Darmerkrankungen in Phase-II-Studien. Eine neue Therapie befindet sich im Zulassungsprozess.

Neue Behandlungsleitlinien

Die Ursachen für die Entstehung einer Colitis ulcerosa sind nach wie vor nicht vollständig geklärt, zentral scheint jedoch eine Fehlsteuerung des Immunsystems zu sein. Die Patienten werden daher meist mit immunsuppressiven Medikamenten behandelt. Damit steigt jedoch die Gefahr von bakteriellen oder viralen Infektionen deutlich an. "Besonders die Kombination mehrerer Medikamente stellt ein Problem dar", sagt Torsten Kucharzik von der Klinik für Allgemeine Innere Medizin und Gastroenterologie des Klinikums Lüneburg, der an einer neuen Leitlinie zur Behandlung der Erkrankung mitgearbeitet hat.

In Studien hatten Patienten, die mehrere solcher Medikamente einnehmen mussten, ein um das 14,5-Fache erhöhtes Infektionsrisiko. Mediziner raten daher dazu, noch vor Beginn der immunsuppressiven Therapie den Impfstatus der Patienten zu überprüfen und fehlende Impfungen nachzuholen. Auch die jährliche Grippeimpfung sei für immunsupprimierte Patienten dringend zu empfehlen.

Obwohl die Krankheit nicht selten ist, dauert es bei vielen CU-Patienten noch immer lange, bis sie die richtige Diagnose und eine adäquate Therapie erhalten. Betroffen ist eher die Bevölkerung in Industrieländern als Entwicklungsländern, außerdem ist die Prävalenz in Städten deutlich höher als im ruralen Raum. Ein wichtiger Auslöser der Erkrankung und eine Erklärung für die Zunahme der CU scheint in veränderten Umwelt- und Hygienebedingungen der modernen Zivilisation zu liegen. "Die Zunahme der Fallzahlen in den letzten Jahrzehnten führte zudem zur Theorie, dass der Auslöser für die Erkrankung auch in den modernen Ernährungsgewohnheiten zu finden sein könnte", ergänzt der Gastroenterologe Axel Dignaß vom Agaplesion Markus Krankenhaus in Frankfurt. Der wissenschaftliche Nachweis dafür fehlt bislang allerdings noch. (red, 17.7.2018)