Das Innenministerium hat ein Projekt zu Fallkonferenzen, bei denen Hochrisiko-Gewaltfälle gegen Frauen von Polizei, Justiz und Interventionsstellen untersucht wurden, gestoppt. Das berichtete das ORF-Ö1-"Morgenjournal" am Dienstag. Das Ministerium begründete dies in einer Aussendung damit, dass bei einer Evaluation des Pilotprojekts herauskam, dass der erhoffte Nutzen nicht erzielt worden sei.

Es gebe "ein ständiges Bemühen, den Opferschutz weiterzuentwickeln", so das Ressort. Das habe auch zur Teilnahme der Landespolizeidirektion Wien am Projekt "Marac" der Wiener Interventionsstelle geführt. Durch das Büro Qualitätssicherung sei die Entscheidung zu treffen gewesen, ob das Projekt einen Mehrwert für den Opferschutz darstellt und in den Regelbetrieb überzuführen ist, "da eine Weiterführung eines Probebetriebs nach fast siebenjähriger Erprobung nicht in Betracht kommt". Die Bewertung der Wiener Landespolizeidirektion habe einstimmig ergeben, "dass der mit Marac im Probebetrieb erzielte Nutzen für den konkreten Schutz von Opfern häuslicher Gewalt nicht den Erwartungen entsprach", hieß es in der Aussendung des Innenministeriums. Marac sei "aus polizeilicher Sicht kein geeignetes Instrument zur Verbesserung des Schutzes von 'high risk victims', da in Hochrisikofällen unmittelbares Handeln und nicht zeitverzögertes Besprechen von Situationen erforderlich ist".

"Österreichweite einheitliche Lösung"

Die Polizei sei an einer raschen, effizienten Lösung zur Verbesserung des Schutzes von "high risk victims" interessiert. "Daher wurde in der Taskforce Strafrecht eine eigene Unterarbeitsgruppe im Bereich Opferschutz eingerichtet, die sich speziell mit der Grundidee des Projekts Marac bzw. der Optimierung des Schutzes von Opfern in Hochrisikofällen intensiv beschäftigt", hieß es. "Das Projekt der Wiener Interventionsstelle hat gute Ansätze, die wir im Rahmen der Taskforce Strafrecht weiterverfolgen werden. Das Ziel ist eine österreichweite einheitliche Lösung für einen besseren Schutz für Opfer von häuslicher Gewalt", sagte die Staatssekretärin im Innenministerium, Karoline Edtstadler (ÖVP).

Irma Lechner vom Verein ZÖF (Zusammenschluss österreichischer Frauenhäuser) wies auf die Wichtigkeit der Zusammenarbeit der Institutionen bei der Prävention hin: "In Fällen von High Risk ist jede Einzelinstitution überfordert." Zur Gefährlichkeitseinschätzung brauche man Daten von allen Einrichtungen, fügte die Geschäftsführerin der Wiener Interventionsstelle gegen Gewalt in der Familie, Rosa Logar, hinzu. Neben dem Stopp seitens der Polizei werde auch das Angebot der Zusammenarbeit bei der Bewährungshilfe von der Staatsanwaltschaft nicht angenommen. "Es gibt da ein Systemproblem bei der Staatsanwaltschaft. Das ist sicher auch einer Ressourcenfrage und zum Teil fehlende Sensibilität", meinte Logar.

Opposition: "Kurzsichtig und verantwortungslos"

Von der Opposition setzte es für den Stopp Kritik: "Dass das Innenministerium diese Treffen einspart, zeigt, dass Frauen dieser Regierung nichts wert sind", sagte etwa SPÖ-Bundesfrauengeschäftsführerin Andrea Brunner. Neos-Frauensprecherin Claudia Gamon sprach von Kurzsichtigkeit und Verantwortungslosigkeit des Innenministeriums, ein effektiver Schutz von Frauen in Hochrisikofällen sei weiterhin dringend notwendig. "Das wird unmittelbare Auswirkungen haben", befürchtete auch Maria Stern, Frauensprecherin der Liste Pilz. "Durch die Einstellung des regelmäßigen Austausches über Hochrisikofälle ist zu befürchten, dass die ohnehin steigende Zahl der Morde an Frauen weiter in die Höhe schnellen wird."

ÖGB-Vizepräsidentin Korinna Schumann (SPÖ) kritisierte Familienministerin Juliane Bogner-Strauß (ÖVP): Diese habe beim ÖGB-Bundesfrauenkongress ausführlich erklärt, die Gewaltprävention sei einer ihrer frauenpolitischen Arbeitsschwerpunkte für die kommenden Jahre. "Nun sollen die Mittel für wichtige Frauenprojekte gekürzt werden, und mehr Geld für neue Betreuungsplätze für Gewaltopfer, wie sie ankündigte, gibt es auch nicht. Frau Bundesministerin, so schafft man keine Stabilität, keine Sicherheit und kein Vertrauen", sagte Schumann. (APA, 17.7.2018)