FPÖ-Landesrat Gottfried Waldhäusl stützt sich bei seinem Vorhaben auf Tierschutz – und einen Gerichtsbeschluss.

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Wenn Juden koscher und Muslime halal leben, essen sie nur Fleisch, das rituell geschlachet wurde – ohne Betäubung vor dem Blutentzug.

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Frage: Koscheres Fleisch soll es in Niederösterreich bald nur noch für registrierte Juden geben, so lauteten sinngemäß die Schlagzeilen am Mittwoch. Was steckt da dahinter?

Antwort: Der für Tierschutz zuständige FPÖ-Landesrat Gottfried Waldhäusl lässt derzeit prüfen, ob die Behörden zu nachlässig sind, wenn es darum geht, den Bedarf an koscherem und Halal-Fleisch zu kontrollieren. Aktuell ist es so, dass Schächter bloß die Anzahl an Personen festhalten, die rituell geschlachtetes Fleisch beziehen wollen, heißt es aus der zuständigen Landesstelle in Niederösterreich. Waldhäusl glaubt, dass zumindest auch die Namen der Abnehmer erfasst werden müssten. "Der Bedarf muss konkret nachgewiesen werden, dafür müssen natürlich Namen genannt werden. Da geht es aber rein um den Verwaltungsakt", sagt Waldhäusl im STANDARD-Gespräch.

Frage: Wer wären die Betroffenen?

Antwort: Betroffen wären gleichermaßen jüdische wie auch muslimische Gläubige. Wobei Waldhäusl betont: "Achtzig bis neunzig Prozent der Abnehmer dieses Fleischs sind Muslime." Außerdem würde Waldhäusl den Bedarf gern an den Wohnsitz koppeln, damit sich die Wiener ihr Fleisch nicht aus Niederösterreich holen.

Frage: Wie hat die Israelitische Kultusgemeinde (IKG) reagiert?

Antwort: IKG-Präsident Oskar Deutsch sieht sich angesichts möglicher Namenslisten von Juden an eine Zeit erinnert, von der er geglaubt habe, dass sie nie mehr kommen werde. "Das ist wie ein negativer Arier-Paragraf", sagt er. Auch die Islamische Glaubensgemeinschaft (IGGÖ) lehnt das Vorhaben ab.

Frage: Warum könnten Namenslisten von koscher lebenden Juden rechtlich überhaupt denkbar sein?

Antwort: An sich verstößt Schächten – also das Schlachten ohne Betäubung vor dem Blutentzug – gegen das heimische Tierschutzgesetz. Genau darauf beruft sich Waldhäusl. Für "rituelle Schlachtungen" wird eine Ausnahme gemacht, die ist allerdings an Voraussetzungen geknüpft: Der Schächter muss über nötige Kenntnisse verfügen, die Tiere müssen nach dem Aufschneiden der Blutgefäße sofort betäubt werden. Außerdem ist die Anwesenheit eines Tierarztes während der Schlachtung vorgeschrieben.

Frage: Und was hat das mit den Käufern des Fleisches zu tun?

Antwort: Im März konkretisierte das niederösterreichische Landesverwaltungsgericht in einem Beschluss, in welchem Ausmaß rituelle Schlachtungen bewilligt werden dürfen. Daraus leiten Waldhäusl und sein Büro ab, dass der Bedarf eines Abnehmers von koscherem oder Halal-Fleisch genauer geprüft werden muss. Konkret ist dem Beschluss zu entnehmen: "Es wären sohin Ermittlungen dahingehend zu führen, wie oft wie viele Tiere wann genau und an welche Abnehmer wie viel Halalfleisch verkauft werden soll" (sic).

Frage: Waldhäusl beruft sich außerdem auf ein Informationsschreiben seines roten Vorgängers. Was steht dort konkret drinnen?

Antwort: Waldhäusl betonte am Mittwoch, dass er nur umsetze, was unter dem SPÖ-Landesrat Maurice Androsch begonnen wurde. Der hatte im September 2017 in einem Informationsschreiben über rituelle Schlachtungen festgehalten, dass die Prüfung zwingender religiöser Gründe immer auf den Einzelfall und eine konkrete Person bezogen erfolgen müsse. Das Papier ging damals an die Veterinärabteilungen der Magistrate und die Bezirkshauptmannschaften.

Frage: Also wollte ursprünglich die SPÖ Namenslisten einführen?

Antwort: Androsch streitet das vehement ab. Er findet, dass sein Schreiben überhaupt nichts mit dem aktuellen Plan seines FPÖ-Nachfolgers zu tun hat. "Waldhäusl will Listen von Menschen anlegen, die geschächtetes Fleisch kaufen. Meine Information an die Behörden legt ausschließlich die Regeln fest, welche Voraussetzungen Personen erfüllen müssen, die selbst Schlachtungen durchführen und wie das Bewilligungsverfahren der zuständigen Behörde abläuft", sagt Androsch.

Frage: Wie hat die Israelitische Kultusgemeinde eigentlich von dem Ansinnen Waldhäusls erfahren?

Antwort: Am 5. Juli dieses Jahres verfasste die Naturschutzabteilung des Landes Niederösterreich, die zu Waldhäusls Ressort gehört, ein Schreiben an die IKG. Die Behörde wies darauf hin, dass religiöse Gründe bei Schächtungen nur für konkrete Personen geltend gemacht werden könnten. Als möglichen Nachweis der Zugehörigkeit zu anerkannten Religionsgemeinschaften führte die Naturschutzabteilung Auszüge aus Mitgliederverzeichnissen und andere offizielle Dokumente an.

Frage: Was wird konkret passieren?

Antwort: Aus dem Büro von Waldhäusl heißt es, dass man derzeit "praxistaugliche Varianten" prüfe, um die Kontrolle zu verbessern. Danach sollen neue Regeln erlassen werden: "Ich werde hier nichts im Alleingang tun. Das wird mit den anderen Parteien abgestimmt." In der niederösterreichischen ÖVP ist man über die aktuelle Diskussion nicht glücklich. "Es wird eine Art Registrierung geben müssen", sagt Klubobmann Klaus Schneeberger. Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner schloss die Registrierung kurz darauf wieder aus. Jedenfalls will die ÖVP in den kommenden Wochen eine Neuregelung vorlegen. Der Liste Pilz gehen die Überlegungen der FPÖ hingegen "nicht weit genug", wie die Abgeordnete Daniela Holzinger erklärt.

Frage: Was ist der Unterschied zwischen koscher und halal?

Antwort: Was für Juden koschere und für Muslime Halal-Lebensmittel – also solche, die sich nach religiösen Regeln essen dürfen – ausmacht, ist ähnlich, dennoch gibt es Unterschiede. Gläubige Juden essen etwa keine Kaninchen, Muslime schon. Muslime sollten dafür keinen Alkohol zu sich nehmen, während Juden sehr wohl koscheren Wein und andere Alkoholika trinken. Die Art der rituellen Schlachtung, damit die Tiere als "rein" gelten, unterscheidet sich nur in Details. (Katharina Mittelstaedt, 18.7.2018)